Der Pfad im Schnee by Lian Hearn

Der Pfad im Schnee by Lian Hearn

Autor:Lian Hearn [Hearn, Lian]
Die sprache: deu
Format: epub


KAPITEL 7

Ich verließ das Haus so, wie ich gekommen war, durch das obere Fenster, die Mauer hinunter und über den Nachtigallenboden. Er schlief unter meinen Füßen, doch ich schwor, ihn singen zu lassen, wenn ich das nächste Mal darüber ging. Ich erklomm nicht die Mauer, um zur Straße zurückzukommen. Stattdessen lief ich leise durch den Garten, machte mich unsichtbar und kletterte durch die Öffnung, durch die der Bach in den Fluss strömte, wobei ich mich an die Steine klammerte wie eine Spinne. Ich sprang ins nächste Boot, band es los, nahm das Ruder, das im Heck lag, und fuhr auf den Fluss hinaus.

Das Boot ächzte leicht unter meinem Gewicht und die Strömung klatschte stärker dagegen. Zu meinem Schrecken hatte sich der Himmel aufgeklärt. Es war viel kälter und unter dem Dreiviertelmond viel heller. Ich hörte Schritte am Ufer, schickte mein Ebenbild zurück zur Mauer und duckte mich ins Boot. Doch Akio ließ sich durch mein zweites Ich nicht täuschen. Er sprang von der Mauer, als würde er fliegen. Ich wurde wieder unsichtbar, obwohl ich wusste, dass es ihm gegenüber wahrscheinlich zwecklos war, und machte knapp über der Wasseroberfläche einen Satz aus meinem Boot in ein anderes, das am Flussdamm lag. Mühsam band ich das Seil los und stieß mich mit dem Ruder ab. Ich sah, wie Akio landete und in dem schaukelnden Kahn sein Gleichgewicht wiederfand; dann sprang und flog er wieder, während ich mich spaltete, das zweite Ich in einem Boot ließ und zurück in das andere stürzte. Ich spürte den Luftzug, als wir aneinander vorbeischossen. Ich bremste meinen Fall ins erste Boot, nahm das Ruder und gebrauchte es schneller als je im Leben. Mein zweites Ich löste sich auf, als Akio es packte, und ich sah, wie er wieder springen wollte. Es gab keine Fluchtmöglichkeit, außer ich tauchte in den Fluss. Ich zog das Messer und als Akio landete, stach ich mit einer Hand nach ihm. Er bewegte sich so schnell wie immer und wich dem Messer mühelos aus. Ich hatte dieses Manöver vorausgesehen und traf ihn mit dem Ruder in der anderen Hand seitlich am Kopf. Er fiel und war einen Augenblick lang betäubt, während ich durch das heftige Schaukeln aus dem Gleichgewicht kam und fast über Bord gefallen wäre. Ich ließ das Ruder los und klammerte mich an die seitliche Holzwand des Boots. In das eisige Wasser wollte ich höchstens mit ihm zusammen, dann würde ich ihn ertränken. Als ich auf die andere Seite des Boots schlüpfte, kam Akio zu sich. Er sprang hoch und stürzte sich auf mich. Wir fielen beide, und er packte mich an der Kehle.

Ich war immer noch unsichtbar, lag aber hilflos unter ihm wie ein Karpfen auf dem Hackklotz des Kochs. Vor meinen Augen wurde es schwarz, dann lockerte Akio ein wenig seinen Griff.

»Du Verräter«, sagte er. »Kenji hat uns gewarnt, er sagte, am Ende würdest du zu den Otori zurückgehen. Ich bin froh, dass es so gekommen ist, weil ich dich seit unserer ersten Begegnung tot sehen wollte. Jetzt wirst du bezahlen.



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