Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2) by Brandon Sanderson

Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2) by Brandon Sanderson

Autor:Brandon Sanderson [Sanderson, Brandon]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2011-11-03T00:00:00+00:00


21

WANDERSEGEL

»Ich halte den Säugling in meinen Händen, halte ein Messer an seine Kehle. Alle Lebenden wollen, dass mir das Messer ausrutscht – ich weiß es. Ich soll sein Blut auf dem Boden verteilen, es soll über meine Hände fließen, damit wir wieder Luft holen können.«

Datiert Schaschanan 1173, dreiundzwanzig Sekunden vor dem Tod. Person: ein dunkeläugiger Junge von sechzehn Jahren. Diese Aussage ist von besonderer Bedeutung.

Und die ganze Welt brach auseinander!«, rief Kärtel. Er hatte den Rücken durchgedrückt und die Augen aufgerissen. Seine Wangen waren mit rotem Speichel betropft. »Die Felsen erzitterten unter ihren Schritten und die Steine reichten in den Himmel hinauf. Wir sterben! Wir sterben!«

Er zuckte ein letztes Mal, und das Licht erlosch in seinen Augen. Kaladin lehnte sich zurück. An seinen Händen klebte scharlachfarbenes Blut. Der Dolch, den er als Operationsmesser benutzt hatte, glitt ihm aus den Fingern und klapperte leise auf den Felsen. Der freundliche Mann lag tot auf den Steinen eines Plateaus, eine offene Pfeilwunde klaffte in der linken Brusthälfte und hatte das Muttermal zerrissen, das seiner Meinung nach wie eine Karte von Alethkar ausgesehen hatte.

Es holt sie, dachte Kaladin. Einen nach dem anderen. Es reißt sie auf und blutet sie aus. Wir sind nichts anderes als Blutbeutel. Wenn wir sterben, regnet es auf den Boden – wie bei einem Großsturm.

Bis nur noch ich übrig bin. Ich bleibe immer übrig.

Eine Schicht aus Haut, eine Schicht aus Fett, eine Schicht aus Muskeln, eine Schicht aus Knochen. Nichts anderes war der Mensch.

Die Schlacht tobte jenseits der Kluft. Es hätte auch ein fremdes Königreich sein können, das dort drüben kämpfte, denn niemand achtete auf die Brückenmänner. Sterben, sterben, sterben – und dann aus dem Weg!

Die Mitglieder von Brücke Vier standen mit ernsten Mienen in einem Kreis um Kaladin. »Was hat er da am Ende gesagt? «, fragte Narb. »Die Felsen erzitterten?«

»Das war gar nichts«, meinte Yake, der Mann mit den kräftigen Armen. »Nur eine Wahnvorstellung kurz vor dem Tod. Das passiert manchmal.«

»In letzter Zeit kommt so was aber öfter vor«, sagte Teft. Er hielt sich mit der Hand den Arm dort fest, wo er eilig einen Verband um eine Pfeilwunde gelegt hatte. Er würde für einige Zeit keine Brücke mehr tragen können. Nun, wo Kärtel und Arik tot waren, hatten sie nur noch sechsundzwanzig Mann. Das reichte kaum, um eine Brücke zu tragen. Das größere Gewicht war deutlich bemerkbar, und sie hatten Schwierigkeiten, mit den anderen Mannschaften mitzuhalten. Wenn sie noch ein paar Verluste mehr erlitten, konnten sie in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.

Ich hätte schneller sein müssen, dachte Kaladin, als er auf Kärtel hinunterschaute, dessen Innerstes aufgebrochen war und in der Sonne trocknete. Die Pfeilspitze hatte seinen Lungenflügel durchbohrt und sich dann ins Rückgrat gefressen. Hätte Lirin ihn retten können? Wenn Kaladin in Kharbranth studiert hätte, wie es sein Vater gewollt hatte, dann hätte er dort vielleicht genug gelernt, um diesen Tod zu verhindern.

Oder nicht?

So etwas passiert eben manchmal, mein Sohn …

Kaladin hob die zitternden, blutigen Hände zum Kopf und verbarg die Augen, als ihn die Erinnerungen verzehrten. Ein junges Mädchen, ein zerschmetterter Schädel, ein gebrochenes Bein, ein wütender Vater.



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