Der Pate von Berlin: Mein Weg, meine Familie, meine Regeln (German Edition) by Al-Zein Mahmoud

Der Pate von Berlin: Mein Weg, meine Familie, meine Regeln (German Edition) by Al-Zein Mahmoud

Autor:Al-Zein, Mahmoud [Al-Zein, Mahmoud]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Droemer eBook
veröffentlicht: 2020-09-28T00:00:00+00:00


Der gemeinsame Feind

Über seine Geschäfte wusste ich noch nichts, als ich Steffen Jacob das erste Mal begegnete. Ich wusste nur, dass er im Westberliner Nachtleben eine große Nummer war und pompöse Auftritte liebte. Er war zwanzig Jahre älter als ich, wohlgenährt, liebte Designer-Klamotten, Sonnenbrillen und Frauen. Schön war er nicht. Aber auffällig. Und ehrlich. Wir verstanden uns auf Anhieb, als Akhi ihn mir Anfang der Neunziger in einem von Pontikas’ Läden vorstellte, wo wir auch nach dem Aus des Big Apple die Sicherheit machten. Ich erinnere mich nicht mehr genau, wo es war, aber wahrscheinlich im Magic Ballroom , ein kugelrunder Club an der Budapester Straße. Ursprünglich hatte der Laden als Rundkino für Touristen gedient, das aber gefloppt war. Danach hatte Pontikas ihn in einen Club umgewandelt. Schickes Ding. Unten Café, oben Piano-Bar, dazu Disco. Solche Locations der etwas gehobeneren Art mochte der Steffen. Da konnte er sich präsentieren und die Sau rauslassen, ohne selbst für alles verantwortlich zu sein. Er sagte immer: »Wenn ich ausgeh, mach ich Ferien von meinen eigenen Läden.«

Was das für eigene Läden waren, thematisierte er nicht, aber ich bekam schnell mit, dass er im Rotlichtbereich arbeitete. Schon in den Sechzigerjahren hatte er Puffs und Striptease-Schuppen besessen, inzwischen waren seine Hauptgeschäfte der Evi-Club und die Tabledance-Bar Bon Bon am Stuttgarter Platz. Deshalb wurde er von vielen als »Rotlichtprinz vom Stutti« bezeichnet. Wie gesagt, Striptease ist für uns Araber ein Tabu, aber womit ein Mann seinen Lebensunterhalt verdient, ist nicht meine Sache, solange er sich mir gegenüber korrekt verhält. Und das tat Steffen. Er wusste, dass sein Business für mich ein rotes Tuch war, und das respektierte er. Wenn wir uns in der City West über den Weg liefen, redete er nicht über die Details seiner Arbeit. Es gab für mich also keinen Anlass, seine Gesellschaft abzulehnen oder den Kontakt mit ihm zu meiden. Zumal ich ihn mochte. Er war ein Lebemann, wie er im Buche stand: offen, direkt, immer geradeheraus. Leute wie ihn gab es meiner Meinung nach viel zu wenige in Deutschland.

Eines Tages bekam ich einen Anruf. Er ging auf meinem ersten Handy ein, einem dicken schwarzen Klotz von Siemens, der für jede Hosentasche zu groß war und fast nie irgendwo Empfang hatte. Ich saß gerade mit meinen Jungs an der Lietzenburger im Café, wir tranken Chai und aßen von den Baklava, die uns die Frau einer meiner Brüder immer vorbeibrachte, als das Ding in meiner Jackentasche losdudelte. Es war nicht das erste Mal, dass das passierte, trotzdem sorgte immer noch jedes Klingeln für erstaunte Blicke. Keiner hatte damals ein Handy – wenn jemand eins hatte und benutzte, verstummte also sofort jedes andere Gespräch im Raum. Neben mir war Steffen Jacob einer der wenigen, die ich kannte, die auch ein Handy besaßen. Deshalb hatten wir auch sofort Nummern getauscht.

»Mahmoud, ich hab grad bisschen Ärger in Charlottenburg«, kam seine Stimme durch den Hörer. »Kannst du herkommen und hier ein Machtwort sprechen? Soll auch nicht umsonst sein.«

Ich musste nicht lang überlegen. Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, ihm die Bitte abzuschlagen.



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