Der Palast der Meere by Rebecca Gablé

Der Palast der Meere by Rebecca Gablé

Autor:Rebecca Gablé [Rebecca Gablé]
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2015-08-14T00:00:00+00:00


Auf See, 10°38’ N, 40°20’ W, Februar 1568

Der Geruch war das erste, was er wahrnahm, als er zu sich kam: ein beißender Gestank nach Exkrementen und ungewaschenen Leibern.

Isaac schlug versuchsweise die Augen auf. »Wo bin ich?« Es war ein dünnes Krächzen, das keinerlei Ähnlichkeit mit seiner Stimme hatte.

»Auf der Minion«, bekam er zur Antwort. »Immer noch. Ihr fragt das seit gestern alle zwei Stunden.«

Isaac wandte den Kopf nach links. Die Bewegung schmerzte, als habe er Glassplitter zwischen den Wirbeln. »Doktor Lyn …«

»Ah! Ein Fortschritt. Ihr wisst meinen Namen wieder.« Der junge Schiffsarzt strahlte, und im dämmrigen Licht sah Isaac weiße Zähne inmitten des dunklen Barts aufblitzen.

»Warum … die Minion?«

»Weil sie das Krankenschiff ist. Der Kommandant lässt alle, die fiebern oder andere verdächtige Symptome zeigen, hierherbringen, um eine Ausbreitung von Krankheiten zu vermeiden. Auch wenn eine Pfeilvergiftung schwerlich ansteckend ist.«

Pfeilvergiftung. Isaac ließ sich das Wort einen Moment durch den Kopf gehen. Er ahnte, dass es etwas mit ihm zu tun hatte, und für einen Herzschlag sah er vor seinem geistigen Auge ein anmutiges junges Mädchen mit einem Spielzeugbogen im Feuerschein, ehe das Bild sich auflöste wie Rauchschwaden in einem Luftzug.

»Wie lange war ich krank?«

»Zwei Monate. Und ich bin nicht sicher, ob ›war‹ ganz zutreffend ist, aber seit gestern habe ich Hoffnung, dass wir wenigstens Euch durchbringen.«

»Zwei Monate …« Er fand, er müsste erschüttert sein, doch er stellte fest, dass ihm Erschütterung viel zu anstrengend war. »Wo sind wir?«

»Keine Ahnung. Irgendwo auf dem großen, leeren blauen Meer zwischen Afrika und der Neuen Welt. Wir sind vor zwei Wochen in See gestochen. Das Wetter ist gut, und der Wind bläst zur allgemeinen Zufriedenheit. Wie fühlt Ihr Euch?«

»Durstig.«

»Hm.« Der walisische Arzt saß neben ihm auf den Planken, hatte einen Arm um die angewinkelten Knie gelegt und fühlte seinem Patienten mit der anderen Hand die Stirn. »Das ist ein gutes Zeichen. Und Ihr habt kein Fieber mehr. Denkt Ihr, Ihr könnt Euch aufsetzen?«

Isaac legte die Linke auf den hilfreich ausgestreckten Arm und zog sich hoch. Es war schwierig. Als er aufrecht saß, wurde ihm schwindelig. Der Doktor legte den Arm um seine Schultern, um ihn zu stützen. Isaac lauschte seinem eigenen rasselnden Atem und starrte ungläubig auf seine abgemagerten Hände hinab. »Wie kann man zwei Monate krank sein … ohne zu sterben?«, wollte er wissen.

»Solange man schlucken und atmen kann, geht das Leben weiter«, gab Lyn achselzuckend zurück. »Und Ihr wart auch nicht die ganze Zeit bewusstlos. Nach ein paar Tagen ließen Muskelkrämpfe, Schmerzen und Fieber nach, und es schien, als wäret Ihr auf dem Wege der Besserung.«

»Ja, ich glaube, ich erinnere mich.« Die Flotte hatte wieder in der Bucht mit der kleinen Strandkolonie gelegen, und während zwei Jagdtrupps den Wald nach Frischfleisch für die Reise durchkämmten, hatten Hawkins und seine Kapitäne die eingefangenen Afrikaner auf die Laderäume der Schiffe verteilt. Abgeschlagen und fiebernd hatte Isaac in seiner Koje gelegen, aber irgendwann ging es ihm gut genug, um sich zu langweilen, und er hatte seinen Dienst wieder aufgenommen. Dann war er …

»Bin ich über Bord gefallen?«

Doktor Lyn nickte grinsend.



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