Der Pakt der Liebenden by John Connolly

Der Pakt der Liebenden by John Connolly

Autor:John Connolly
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Tags: Thriller
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2013-09-09T16:00:00+00:00


Vierter Teil

Drei können ein Geheimnis wahren,

wenn zwei von ihnen tot sind.

Benjamin Franklin (1706–1790),

Poor Richard’s Almanack

19

Jimmy Gallagher musste nach mir Ausschau gehalten haben, denn er öffnete die Tür, noch bevor ich anklopfte. Ich stellte ihn mir einen Moment lang vor, wie er am Fenster saß, in dem sich in der anbrechenden Dunkelheit sein Gesicht spiegelte, mit den Fingern auf das Fensterbrett trommelte und gespannt die Straße absuchte, doch als ich ihm in die Augen schaute, sah ich dort weder Anspannung noch Angst oder Sorge. Im Grunde genommen wirkte er ­gelöster, als ich ihn je gesehen hatte. Er trug ein T-Shirt, eine Kapuzenjacke mit Yankees-Aufdruck, eine braune Hose mit Farb­flecken und ein Paar alte Slipper. Er sah aus wie ein Mann, der mit Mitte zwanzig eingenickt ist, beim Aufwachen feststellt, dass er mit einem Mal vierzig Jahre älter geworden ist, und immer noch die gleiche Kleidung tragen muss. Ich hatte ihn immer für einen Mann gehalten, der größten Wert auf sein Äußeres legt, denn ich konnte mich nicht entsinnen, ihn jemals ohne Jackett und ein sauberes, gestärktes Hemd gesehen zu haben, manchmal sogar mit einem geschmackvollen Seidenschlips. Jetzt war alles Förmliche von ihm abgefallen, und als ich im Laufe des Abends all die Geheimnisse hörte, die aus ihm sprudelten, fragte ich mich, ob diese strenge Kleiderordnung nicht ein Teil der Abwehrmaßnahmen war, die er nicht nur aufgebaut hatte, um sich und seine eigene Identität zu schützen, sondern auch das Andenken an diejenigen und das Leben derer, die ihm am Herzen lagen.

Er sagte nichts, als er mich sah. Er öffnete nur die Tür, nickte einmal, drehte sich um und ging in die Küche. Ich schloss die Tür hinter mir und folgte ihm. Zwei Kerzen brannten in der Küche, eine auf dem Fensterbrett, die andere auf dem Tisch. Neben der zweiten Kerze standen eine Flaschen guten – vielleicht sogar sehr guten – Rotweins, eine Karaffe und zwei Gläser. Jimmy berührte beinahe zärtlich den Hals der Flasche und streichelte ihn, als wäre er ein geliebtes Haustier.

»Ich habe auf einen Anlass gewartet, sie aufzumachen«, sagte er. »Aber heutzutage habe ich anscheinend nicht mehr allzu viele Gründe zum Feiern. Meistens geh ich zu Beerdigungen. Wenn man in mein Alter kommt, ist das eben so. Ich war in diesem Jahr schon bei drei Beerdigungen. Lauter Cops, und alle sind sie an Krebs gestorben.« Er seufzte. »So will ich nicht abtreten.«

»Eddie Grace stirbt an Krebs.«

»Ich hab’s gehört. Ich habe mir überlegt, ob ich ihn besuchen soll, aber Eddie und ich –« Er schüttelte den Kopf. »Das Einzige, was wir gemeinsam hatten, war dein alter Herr. Als er gegangen ist, hatten Eddie und ich keinen Grund mehr, miteinander zu reden.«

Mir fiel ein, was Eddie zu mir gesagt hatte, kurz bevor ich ihn verlassen hatte – dass Jimmy Gallagher ein Leben lang eine Lüge gelebt habe. Vielleicht hatte sich Eddie, wenn auch indirekt, auf Jimmys Homosexualität bezogen, aber ich wusste jetzt, dass es noch andere Lügen gab, die es aufzudecken galt, auch wenn manchmal nur die Wahrheit verschwiegen worden war. Dennoch



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