Der Nationalsozialismus und die Antike by Chapoutot Johann; Fekl Walther;
Autor:Chapoutot, Johann; Fekl, Walther;
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Philipp von Zabern Verlag
Germania als Nova Roma: Ein steinernes Manifest
Die Benennung einer Stadt ist auch dann ein Akt der Machtdemonstration und des Beginns eines neuen Zeitalters, wenn es sich nur um eine Neugründung handelt. Das war der Ehrgeiz Neros, der laut Sueton die alte Hauptstadt des Imperiums neu entwerfen und auf seinen eigenen Namen taufen wollte: „Neropolis“.
Mit seinem Wunsch, die Hauptstadt mit neuen Gebäuden auszustatten, einerseits als Ausdruck von Macht (Ministerien, Soldatenhalle für das OKW, das Oberkommando der Wehrmacht), andererseits aber auch zu Zwecken der Soziabilität (z.B. die für die Nord-Süd-Achse vorhergesehenen Thermen), reihte sich Hitler in eine doppelte römische Tradition ein: zum einen die des Baumeister-Herrschers, die jeden ehrgeizigen neuen Kaiser zur Schaffung eines neuen Forums veranlasste, zum anderen die des Evergetes (Εὐεϱγέτης), des fürstlichen oder privaten Wohltäters, der der Stadt die zur Aufrechterhaltung ihres Soziallebens nötigen Einrichtungen stiftete.118
Hitler hatte vor, Berlin ein neues Gesicht zu verpassen. Diese zweite Geburt der Reichshauptstadt würde von einer erneuten Taufe begleitet, einem performativen semantischen Akt, der den Aspekt der Wiedergeburt, ein neues Zeitalter markieren würde. Die Stadt sollte künftig Germania heißen, ein Name, dem paradoxerweise nichts Germanisches anhaftet. Es handelt sich hier um ein rein lateinisches Wort, das durch Tacitus populär gemacht wurde, mit dessen Buch es seit der Renaissance verbunden wird. Seine Ableitungen im Deutschen – „Germanen“, „germanisch“ – haben ihre Entsprechungen in den nordischen Sprachen, wo sie von der ursprünglich sächsischen Wurzel „teutsch“ abgeleitet sind, das zu „tuidisc“, „tedesco“, „tudesque“ latinisiert bzw. romanisiert wurde. Das Lateinische an „Germania“ wird noch betont durch die Endung auf -a, diesen lateinischen Feminin-Marker. Bezeichnenderweise folgte die SS nicht Tacitus nach bei der Namensgebung für ihre Zeitschrift für Anthropologie und Archäologie des Nordens. Der „Germania“ des Tacitus zogen sie ein „Germanien“ vor, dessen Endung auf -en eher typisch deutsch ist.
Seinem Namen nach ein neues Rom, wurde Germania von Hitler als Hauptstadt eines Weltreichs konzipiert. Die neue Reichshauptstadt und generell alle neuen Bauwerke des Regimes wurden als imperiale Manifestationen, als Objektivierungen des Reichsgedankens verstanden, dazu bestimmt, die NS-Macht in den Raum, aber auch in die Zeit zu tragen, und das für ein jahrtausendelanges Nachleben. Eine einschüchternde Architektur sollte die Macht der künftigen Führer stützen, seiner Nachfolger, denen Hitler ein steinernes Testament hinterlassen wollte, das ihn selbst verewigen würde.119
Das neue Weltreich, das Hitler vorschwebte, musste – um den Vergleich mit seinem Vorgänger auszuhalten und seiner würdig zu sein – die Sprache des imperialen Denkens, sprich der römischen Monumentalität sprechen. Dazu musste die neue Hauptstadt all die architektonischen Elemente des kaiserlichen Roms aufweisen, die aus der Urbs durch ihre Außenprojektion in die Städte der provinciae erst die Hauptstadt des Reichs machten.
Ebenso hatte auch Germania seinen Triumphbogen aufzuweisen, gewissermaßen als zentrales Element der römischen Militär- und Stadtarchitektur, das in Stein den Eingang zu einem Militärlager nachahmt und verewigt.
Der Triumphbogen, den Speer nach Skizzen Hitlers entwarf, sollte höher, breiter und tiefer sein als der Napoleons, dieses anderen Wiedererweckers des Römischen Reichs: mit 117 Metern Höhe sollte er mehr als das Doppelte des Bogens der Champs-Élysées messen (50 Meter), außerdem 170 Meter in der Breite und 119 in der Tiefe.
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