Der Monat vor dem Mord by Berndorf Jacques

Der Monat vor dem Mord by Berndorf Jacques

Autor:Berndorf, Jacques [Berndorf, Jacques]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Krimi/Thriller
Herausgeber: KBV Verlags- und Mediengesellschaft
veröffentlicht: 2009-02-27T23:00:00+00:00


8. Kapitel

Während Horstmann durch den Vorgarten ging, malte er in Gedanken eine winzige, rohe Skizze: Er, Dr. Horstmann, Chemiker, im Kreis der Familie. Sabine am Tisch, siebzehn Jahre alt. Harald am Tisch, achtzehn Jahre alt. (Gewiss, Sabine, ein mit allen Wassern gewaschenes junges Weibsbild, vermutlich erfahrener als er; Harald Haschischraucher! Und das alles ohne sein Wissen! Aber lassen wir das einmal beiseite.) Maria am Tisch, zwanzig Jahre mit ihm verheiratet. Und dann er selbst mit einer großen Ledertasche. Langsam würde er die Tasche öffnen, und er würde ohne jede Emotion sagen: »Seht her, ich habe dieses für euch heran geschafft!« Er würde die Tasche ganz hochheben, und dann würde er einhundert Tausendmarkscheine heraussegeln lassen wie muntere Schwalben. Sie würden verrückte Gesichter machen. Maria ein bisschen ängstlich, ob es auch wirklich wahr sei. Sabine voller Staunen. Vielleicht würde sie einen Augenblick so etwas wie Hochachtung empfinden. Und der Junge? Wahrscheinlich würde er ganz automatisch an ein kleines Auto denken bei so viel Geld. Verdammt noch mal, warum sollte er auch nicht? Warum soll der Junge nicht ein Auto kriegen?

Horstmann schlenkerte die Aktenmappe hin und her, während er durch den Vorgarten ging. Natürlich, der Junge war erst achtzehn, hatte nicht einmal den Führerschein. Horstmann dachte ganz abrupt: Ich weiß nichts von ihm. Von Sabine weiß ich wenigstens, was sie über mich denkt und dass sie meine Ehe mit ein paar Filzpantoffeln vergleicht, die über einen Krankenhausgang latschen. Das ist zwar nicht viel, aber immerhin etwas. Aber von dem Jungen weiß ich nichts. Sein Geburtsdatum, ja, Erinnerung an seine Konfirmation, ja. Aber ich weiß nicht, was er jetzt denkt.

Horstmann schloss die Haustür auf und kam dabei auf die sehr ernüchternde Idee, dass es gar nichts Besonderes war, dass Sabine ihm von ihrer verlorenen Jungfernschaft erzählt hatte. Nach dem zu urteilen, was man in Büchern las und im Fernsehen sah, würde sie das wahrscheinlich jedem erzählen, der es unbedingt hören wollte. Es war wie ein Schlag, als er daraus die Konsequenz zog: Dieses Geständnis ist kein Beweis dafür, dass sie mich mag, dass ich ihr Vater bin und sie meine Tochter. Dafür gibt es noch keinen Beweis.

Er ging hinein und sagte laut: »Ich bin durstig, ich will ein Bier.«

Sabine kam aus dem Wohnzimmer gelaufen. Sie hatte eine Platte aufgelegt. Es klang sehr weich und hölzern. Es klang angenehm. »Mama ist nicht da«, sagte Sabine. Sie trug nichts als ein Hemd von Harald und darunter einen schwarzen Bikini.

»Du siehst hübsch aus«, sagte Horstmann. »Schaffst du mir ein Bier ran?«

»Ja«, sagte sie. »Du kommst heute ziemlich früh.«

»Ich hatte die Nase voll«, sagte Horstmann und sah ihr nach, wie sie in die Küche ging und sich zum Eisschrank bückte. Er fand sie wirklich hübsch. Aber das Kompliment eines Vaters war wohl nicht viel wert. »Wie heißt diese Musik?« Er hörte sie in der letzten Zeit dauernd. Jemand pfiff sie, oder jemand summte sie, oder sie kam aus kleinen Transistorradios.

»El Condor pasa«, sagte Sabine. Sie goss ihm Bier in das Glas. »Ich glaube, das heißt ›Der Kondor fliegt vorbei‹.



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