Der Mann aus der Tiefe by Axel Rudolph
Autor:Axel Rudolph [Rudolph, Axel]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-11T00:00:00+00:00
8. Kapitel.
Geld ohne Arbeit! Karl hatte zu seinem Erstaunen nach ein paar Tagen einen Gewinn von zweihundertunddreißig Mark einkassieren können. Seine Geldnot war für die nächste Zeit behoben. Aber nur für eine Zeit, denn das Geld rollte rasch dahin in Berlin, wenn man nichts zu tun hatte. Und irgendeine Arbeit zu finden, wollte nach wie vor nicht glücken.
Einmal hätte er eine kleine Portierstelle bekommen können, aber dem hatte sich Frau Irene fast leidenschaftlich widersetzt. Dann, als alle Hoffnungen, Fabrikarbeit oder dergleichen zu erhalten, fehlschlugen, hatte er Frau Irene gebeten, Stunden nehmen zu dürfen, um Schreibmaschinenarbeit zu erlernen. Auch dazu hatte sie mitleidig gelächelt.
„Lieber Karl,“ hatte sie gesagt, was wollen Sie damit anfangen? Schreibmaschine schreiben, das kann jeder Lehrling, und außerdem noch Stenographie, Buchführung und ähnliche schöne Sachen. Damit können Sie keiner Firma imponieren. Wir müssen schon etwas anderes suchen.“
Sie hatte versucht, ihn für das Boxen zu interessieren. Sie nahm ihn mit zu Boxveranstaltungen und ließ ihm sogar von einem Boxmeister Unterricht geben. Karl, schwerfällig und langsam in seinen Bewegungen, mußte manche harten, schmerzhaften Schläge einstecken, und als er einmal, wütend über einen empfindlichen Kinnhaken, seinen Lehrer mit einem hammerartigen Faustschlag auf den Kopf niedergestreckt hatte, bekam der Boxmeister einen Anfall von Ehrlichkeit und erklärte Frau Irene, daß Karl Kühne nie im Leben ein guter Boxer, geschweige denn ein Champion werden würde.
So blieb, als das Geld wieder alle wurde, nur die Möglichkeit, neues Geld durch weitere Rennwetten zu verdienen. Durch Delami kam Karl jetzt viel mit Buchmachern und Turfleuten zusammen. Er verlor manchmal, aber er gewann auch, dank der guten Informtaionen Frau Irenes und der Turfleute, und als er nach ein paar Monaten die Bilanz zog, stellte er zu seinem Erstaunen fest, daß er so ziemlich durch diese Wetten seinen Lebensunterhalt verdienen konnte. In Bochum daheim hätte er sogar recht gut damit auskommen können, denn der Gewinn betrug mehr, als er in der gleichen Zeit daheim als Kumpel verdient hatte.
Geld ohne Arbeit. Karl Kühne, der sein Leben lang jeden Groschen hart hatte erarbeiten müssen, begann langsam Geschmack daran zu finden und begriff, warum die jungen Leute, mit denen er in den Kaffeehäusern zusammensaß, jede Schinderei um das tägliche Brot als „dof“ bezeichneten.
Als er eines Tages auf einen Schlag dreihundert Mark gewonnen hatte, war es ihm in den Sinn gekommen, sich einmal so elegant auszustaffieren wie seine Bekannten, deren schneidige Eleganz er bewunderte. Er hatte es ohne Frau Irene getan, aber als er tags darauf, berstend vor Stolz in seinem neuen Habit bei ihr erschien, hatte seine Gönnerin fast einen Schreikrampf vor Lachen bekommen. Dann war sie sehr ernst geworden und hatte ihn fast traurig angesehen.
„Lieber Kumpel,“ hatte sie gesagt, „diese unmögliche Farbenzusammenstellung, diese mordshäßliche Krawatte und die lächerlichen Fußgamaschen — nein so geht das nicht. Überhaupt, kommen Sie mir nur nicht auf den Gedanken, die andern nachahmen zu wollen. Damit wirken Sie nur grotesk. Sie sollen so bleiben, wie Sie sind, anständig angezogen und von manierlichem Benehmen, ja? Aber fangen sie um Gotteswillen nicht an, den ‚Kavalier‘ spielen zu wollen! Damit dringen Sie hier nie durch.
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