Der Laden III by Erwin Strittmatter

Der Laden III by Erwin Strittmatter

Autor:Erwin Strittmatter [Strittmatter, Erwin]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-08T22:00:00+00:00


Auf der Dorfstraße kommt mir Oskar Jakubeit entgegen. Er muß jetzt dreißig Jahre alt sein, blaß und gedunsen steht er vor mir; in sein Kopfhaar schiebt sich eine zweizüngige Glatze. Er arbeitet als Postbote in Däben. Sein Neckname ist Schwaberland Als Kind sang er: Wir sind zwei Musikanten und komm aus Schwaberland...

Schwaberland ist unverheiratet, also der älteste Jugendliche von Bossdom und deshalb Vorsitzender vom Jugendausschuß. Er bittet mich, beim Maskenball, den die Jugendlichen veranstalten wollen, die Masken anzuführen.

Du woarst früher immer so spoaßig, sagt er.

Soll ich lachen oder weinen?

Mir ist nicht nach Äffereien zumute, Schwaberland.

Bißchen was von deine Spoaßigkeit wird schont noch doa sein. Wir zoahlen nich schlecht, so bei fimzig Mark.

Meine Geldsorgen wittern eine Dämpfung: Fünfzig Mark: Haushaltsgeld, zwei bis drei Wochen unbedingtes Schreiben. Ich sage zu.

Nona findet befremdlich, was ich tun will, die fünfzig Mark lassen sie nicht unangerührt, aber es bleibt ihr unheimlich, daß ich Clown spielen will. Sie wird nicht mit auf den Saal gehen.

Maskenbälle gibt es in Bossdom erst seit meiner Jugendzeit. Einen davon, auf dem ich mich mannbar machte, beschrieb ich euch.

In meiner Dorfjungen-Zeit maskierten sich die Bossdomer nur zur Fastnacht. Maskierte Jugendliche, die Verkleedten genannt, zogen von Haus zu Haus. Der Flaschenwärter schenkte dem jeweiligen Hausherrn ein, hinter ihm verkleidete Burschen mit Spießen und Körben. Die Hausfrauen kamen heraus, brachten Eier, legten sie in die mit Häcksel gefüllten Körbe, brachten Speck- und Schinkenschroten und steckten sie auf die Spieße der Verkleideten. Die Dorfmusikanten spielten, und die Maskierten trieben Unfug, schlugen die Kinder mit Patschen, kletterten auf die Dächer, setzten sich auf die Schornsteine, krochen auf die Ziehbrunnenschwengel oder ließen die Schweine aus dem Stall. Der als Bär maskierte Anton Bläsche kletterte auf einen Nußbaum. Droben überfiel ihn die Alkoholmüdigkeit; er schlief ein, mußte abgeschüttelt und mit einer ausgespannten Decke aufgefangen werden. Und alles zusammen wurde auf der sorbischen Heide Zampern genannt.

Eine Woche später gingen die Männer zampern. Männer-Fastnacht! Lehnigks Fritzko, der noch nicht ahnte, daß ihn einst der Krebs holen würde, spielte Verkehrter Mann, streifte sich einen Kopfschützer vors Gesicht, setzte sich eine Fastnachts-Larve auf den Hinterkopf und zog seine Jacke so an, daß die Knöpfe hinten waren. Mit verschränkten Armen trug er den Eierkorb auf dem Rücken und lief die ganze Zeit rückwärts. Ab und zu zog er den Kopfschützer hoch wie ein Visier und goß sich einen auf die Lampe, wies auf der Heide heißt, doch nachdem er einige Schnäpse verschluckt hatte, vergaß er, die Arme auf dem Rücken gut verschränkt zu halten, und der Eierkorb entrutschte ihm. Der eierverklebte Häcksel lag noch lange auf der Dorfstraße, die Hunde mochten ihn nicht, die Pferde schon gar nicht. Seit jener Männer-Fastnacht wurde einem Verkehrten Mann der Eierkorb nie wieder überlassen.

Die Maskenbälle drangen aus Grodk und anderen Städten zu uns auf die Dörfer hinaus. An ihrer Einführung in Bossdom war meine Mutter beteiligt. Sie hatte in ihrer Jungmädchenzeit in Grodk auf Maskenfesten herumgebalzt. Ihr Laden wurde zum Agitpunkt für den ersten Maskenball. Sie beschwor und beschwatzte die Vorstandsmitglieder des Gesangvereins: Man muß doch bißchen fürs Moderne sein in Bossdom ooch.



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