Der Krake by China Miéville

Autor:China Miéville
Die sprache: de
Format: mobi, azw3, epub
Tags: Roman
ISBN: 9783838705163
Herausgeber: Lübbe Digital
veröffentlicht: 2011-06-24T22:00:00+00:00

Tausende Londoner erwachten in diesem Moment. Erinnerung versus Unausweichlichkeit, ein Zusammenprall, der ein Chaos im Schlafmuster der Menschen anrichtete. Marge erwachte und war sich plötzlich lebhaft bewusst, dass etwas Neues geschehen war. Baron erwachte und sagte noch im Aufwachen: »Oh, verdammt, jetzt geht es los.« Vardy hatte gar nicht erst geschlafen.

Weniger weit von Billy entfernt, als irgendeiner von ihnen sich hätte vorstellen können, starrte auch Kath Collingswood aus dem Fenster. Sie hatte sich exakt in derselben Sekunde aufgesetzt wie Billy. Das Glas ihres Fensters war ihr keine Hilfe, aber sie hatte ihre eigene Art, die Dinge zu verstehen.

Plötzlich wurde ihr offenbar, dass die unechten Geister, die sie zusammengebastelt hatte, geschlagen worden waren. Sie schleppte sich aus dem Bett. Sie war allein und trug ihr Snoopy-Nachthemd. Eine Gänsehaut raste in alle Richtungen über ihren Leib. Ein Schaudern, verbunden mit Interferenzmustern. London mahlte an sich selbst, schliff sich ab wie ein gebrochener, ungeschienter Knochen.

»Und was werden wir jetzt verdammt noch mal tun?«, fragte sie laut, und ihr gefiel nicht, wie schwach ihre Stimme klang. »Wen rufe ich jetzt herbei?«

Etwas, das keine Probleme machte, etwas, dem sie Informationen entlocken konnte, ohne sich Ärger einzuhandeln. Musste nichts Starkes oder Schlaues sein. Besser nicht. Sie blätterte in dem Block neben ihrem Bett, in dem sie sich Notizen zu etlichen Beschwörungen gemacht hatte. Vielleicht ein Weltraumaffe, eine Ansammlung zuckender Tentakel, um ihre eigenen Audionerven direkt zu stimulieren? Zu symbolhaft.

Na gut, dann eben wieder eine echte Schnauze, aber eine, die den Namen wert war. Sie stöpselte ihren elektrischen Drudenfuß ein und saß in konzentrischen Neonkreisen von unterschiedlicher Farbe. Es war eine ziemlich protzige Beschwörung. Collingswood las allerlei Kleinigkeiten aus den relevanten Manuskripten. Das Knifflige an der Sache war nicht, die Anrufung auszuführen: Hier ging es darum, nicht zu viel zu rufen. Sie tastete nur nach einem bestimmten kleinen Geist, nicht nach dem Anführer seiner Horde.

Es dauerte nicht lange. In dieser Nacht saß alles in den Startlöchern. Sie musste kaum mit dem imaginären Eimer psychischen Schweinefutters wedeln, da näherte sich bereits mit forschendem Schnauben und fröhlichem Geschrei eben das schweinische Wesen, das sie von einer Herde ebensolcher aus der äußeren Monstrosität nach London gelockt und gelehrt hatte, auf den Namen Perky zu hören. Es manifestierte sich als das Huschen einer schweineartigen Kreatur.

Kollywood, grunzte es. Kollywood Futter. Nicht viel mehr als Dunkelheit in der Luft. Es hatte keinen Korkenzieherschwanz, verdrehte sich aber wie zum Ausgleich für diesen Mangel in sich selbst, wühlte im Zimmer herum und schleuderte Collingswoods Müll durch die Luft.

»Perky«, sagte sie und schüttelte eine Flasche mit übrig gebliebenen spirituellen Schnipseln. »Hallo Kleiner. Hier gibt es Leckerbissen. Was gibt es Neues?«

Mjam machte Perky. Mjam-mjam.

»Ja, du kannst es haben, aber erst wirst du mir erzählen, was los ist.«

Angst, grunzte Perky.

»Ja, das ist eine etwas beängstigende Nacht, nicht wahr? Was ist los?«

Angst. Engli drauß. Psch, nich' sagen.

»Engli?« Sie kämpfte mit ihrer Ungeduld. Aber es hatte keinen Sinn, sauer auf dieses liebenswerte, gierige Ding zu werden. Es war eh zu dumm, als dass sie ihren Ärger in befriedigender Weise an ihm hätte auslassen können.

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