Der Klang der Blicke: Geschichten by Selim Özdogan

Der Klang der Blicke: Geschichten by Selim Özdogan

Autor:Selim Özdogan [Özdogan, Selim]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Gegenwartsliteratur, Belletristik
ISBN: 9783709970003
Google: 5bsFuwAACAAJ
Herausgeber: Haymon
veröffentlicht: 2014-12-15T00:00:00+00:00


Eines Tages wird er nicht mehr kommen

Er ist Yogalehrer, auch wenn ich noch nie gesehen habe, dass er irgendwelche Übungen macht. Auch wenn er nie darüber redet. Sein Körper ist beweglich und fühlt sich fest an. Es ist ja nicht so, dass er sich hier nicht bewegt, nur Yoga ist das nicht.

Sonst übt er täglich, soweit ich weiß, aber wenn er hier ist, von, sagen wir, Freitagabend bis Sonntagnachmittag, dann macht er keine einzige Übung.

Mal kommt er alle paar Wochen, dann wieder monatelang gar nicht. Die längste Pause waren zwei Jahre. Da hatte er eine neue Freundin und wollte ihr treu sein. Ich habe viel geweint damals. Mir hat er immer erzählt, er möchte sich nicht binden.

Nach einem halben Jahr, in dem es mir nur noch schlecht ging, habe ich gedacht, das ist meine Chance, so kann ich endlich von ihm loskommen. Ich musste durch diesen Schmerz, musste mir vorstellen, wie glücklich er mit ihr ist, was für eine tolle Figur sie hat, wie gut sie aussieht und warum sie alles bekommt, was ich nie haben werde.

Wir haben in der Zeit einige Male gemailt. Nicht oft. Und als er durchblicken ließ, dass es nicht so gut lief, hat es nur noch mehr geschmerzt. Für sie war er bereit, auch Ärger in Kauf zu nehmen. Es war ihm ernst.

Damals habe ich mir geschworen, ihn nie wiederzusehen. Ich wollte endlich frei sein. Frei von dem Verlangen, seine Haut an meiner zu spüren, frei davon, mich nach seinen Lippen zu sehnen, nach diesen Händen, die meinem Körper zuflüstern, wenn ihm nach flüstern ist, und die ihn anschreien, wenn er richtig angepackt werden will. Seine Hände sind unglaublich weich und sie scheinen schon vor langer Zeit eine Verbindung mit meinem Körper gehabt zu haben. Als seine Hände noch keine Hände waren und mein Körper noch kein Körper. So wie diese Hände kann mich sonst nichts berühren.

Ich bin auch mit anderen Männern ausgegangen, um mich zu befreien, aber es hat nicht funktioniert. Ich habe bei ihnen gesucht, was ich bei ihm gefunden hatte. Aber sie hatten es nicht. Sie hatten es einfach nicht.

Nach den zwei Jahren, die wir uns nicht gesehen hatten, war er in der Stadt, zu irgend so einer Yogaveranstaltung. Wir hatten vorher gemailt. Abends sind wir ausgegangen, er hat Weißwein getrunken. Sonst trinkt er nie.

Das hat mich amüsiert, weil ich wusste, dass ich ohnehin mitgehen würde, und er war unsicher und nervös. Ich dachte, ich bin drüber hinweg, ich kann mit ihm ins Hotel. So wie man aufhört zu rauchen und sich dann eine Zigarette gönnt, weil man ja nicht mehr süchtig ist.

Es war nicht gut. Es war so, dass ich mir wieder vorgenommen habe, ihn nicht mehr zu sehen. Er war grob, hastig. Vielleicht hatte er ein schlechtes Gewissen, aber es war einfach nicht schön.

Ich kann nicht sagen, warum ich ihn nach dieser Nacht noch mal getroffen habe. In meinen Träumen habe ich uns so oft ineinandergeträumt und jetzt kann ich diese Träume nicht vergessen. Vielleicht kann er selber gar nichts dafür.



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