Der Henker 002 - Besuch aus einem Totenhaus by Uwe Voehl

Der Henker 002 - Besuch aus einem Totenhaus by Uwe Voehl

Autor:Uwe Voehl [Voehl, Uwe]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Horror, Mystery
Herausgeber: Zaubermond
veröffentlicht: 2013-10-14T22:00:00+00:00


Hunger.

Der erste Gedanke nach dem Aufwachen hieß: Hunger.

Ich öffnete die Augen und fand mich in einer mir fremden Umgebung wieder. Ich lag in dem großen Bett eines Schlafzimmers. Alles wirkte neu, wie eben erst gekauft.

Was war geschehen?

Erneut schob sich dieses ungeheure Hungergefühl in den Vordergrund meiner Gedanken und ließ alle Antworten unwichtig werden.

'Bist du wach?'

Ich erschrak, als ich die Stimme hörte, und drehte mich im Bett herum. Erst da erblickte ich das Mädchen, das bis dahin still gewartet hatte. Ich schaute in ihre dunklen, tiefen Augen und bemerkte in ihnen eine Grausamkeit, die mich frösteln ließ. Das Kind war vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, und die langen schwarzen Haare fielen ihm auf die Strickjacke, die eng um die Schultern gezogen war.

'Wer bist du, Kleines?', fragte ich sie.

'Leonore.'

'Weißt du, wie ich hierhergekommen bin?'

Sie nickte. 'Mutti hat dich gebracht.'

'Deine Mutti? Wo ist sie jetzt?'

'Mutti ist tot.'

'Sie ist tot?'

Das Kind lächelte. Vielleicht war es wahnsinnig.

Mühsam den Hunger beherrschend, fragte ich: 'Wie lange ist sie schon tot?'

'Seit drei Nächten.'

'Und wie lange liege ich schon hier?'

'Drei Nächte.'

Draußen dämmerte es, aber ich konnte nicht sagen, ob es Morgen oder Abend war.

'Ich habe Hunger', sagte das Mädchen.

Hatte es die gleiche Art von Hunger wie ich?

'Wir werden dir etwas besorgen.' Als ich mich erheben wollte, merkte ich, dass ich unbekleidet war.

'Wo sind meine Sachen?'

'Was für Sachen, Onkel?'

'Meine Hose, mein Hemd ...'

Leonore drehte sich herum und öffnete den Schrank.

'Hier sind sie. Ich habe sie gewaschen und geflickt.' Sie legte sie mir neben das Bett. Ein merkwürdiges Mädchen. Mit ihren fünf Jahren hatte sie meine Kleidung allein in Ordnung gebracht?

Ich zog mich rasch an. 'Und nun wollen wir mal weitersehen', sagte ich. 'Also: Deine Mutter, sagst du, sei tot?'

Leonore nickte. 'Ich habe sie in den Gefrierschrank gestellt, damit sie frisch bleibt.'

'Wo steht der Gefrierschrank?'

'In der Küche.'

Ich öffnete die Tür. 'Führ mich hin!'

Sie nahm meine Hand und leitete mich durch den stockdunklen Korridor zur Küche. Die Einrichtung wirkte genauso neu und steril wie die des Schlafzimmers. Der Gefrierschrank war nicht zu übersehen. Er war riesig. Mit einiger Fantasie konnte man sich gut vorstellen, dass eine Leiche in ihm Platz fand.

'Dort', sagte Leonore und wies mit dem Zeigefinger auf die weiße Truhe.

'Dort drinnen ist deine Mutter?'

Ich trat an den Schrank heran, war mir aber plötzlich gar nicht mehr so sicher. Was wäre, wenn ich wirklich auf eine Leiche stieß?



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