Der Heiler der Pferde - Roman by Gonzalo Giner
Autor:Gonzalo Giner [<München>, Blanvalet-Verlag]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blanvalet-Verlag <München>
veröffentlicht: 2013-09-30T22:00:00+00:00
Bis zum Festakt blieb noch ein Weilchen. Währenddessen betrachtete Diego die Leute. Neben ihm standen zwei alte zahnlose Bauern. Zwar waren sie zum Fürchten hässlich, aber ihr Lachen war ansteckend. Auch Diego gehörte schließlich zur fröhlichen Runde, die sich den Bauch hielt und die Tränen aus den Augen wischte.
Mit einem Mal war sie da. Sie ging gemäßigten Schrittes am Arm der Mutter hinter dem jungen Herrn von Albarracín her. Ihr Gesicht war von einem blauen Schleier bedeckt.
Diego rief sie laut beim Namen, aber seine Stimme ging im allgemeinen Lärm unter. Der junge Pferdeheiler versuchte wild winkend auf sich aufmerksam zu machen – vergebens. Nur wenige Schritte trennten ihn von der Angebeteten, aber er schaffte es nicht, sich durch das Gedränge einen Weg zu ihr zu bahnen. Maulend stießen ihn die Leute zurück. Immerhin kam er ihr näher. Auf dem Rückweg würde die Prozession direkt an ihm vorbeikommen. Hinter einem Zaun richtete sich Diego darauf ein, geduldig auf sie zu warten. Auch war die Bühne von hier aus gut zu sehen.
»Wie schön doch Doña Mencía ist«, seufzte ein altes Weib voller Bewunderung.
Diego sah schmachtend zu ihr hinüber. Sie war so hinreißend, dass es an Vermessenheit grenzte zu erwarten, sie könne seine Liebe erwidern. Das goldene Haar war zu zwei Zöpfen geflochten. Blau wie ihre Augen umhüllte ein samtenes Kleid ihre schlanke Gestalt. Ein unwiderstehliches, beglückendes Strahlen ging von ihr aus.
Der heimliche Verehrer beneidete die Luft, die Mencía atmete, die Vögel in ihrer Nähe, die sie grüßenden Menschen – alle hatten mehr von ihr als er.
Zuletzt betrat der Erzbischof mit Diakonen und Mönchen die Bühne. Die Messe begann. Man sang auf Latein, dann folgte eine lange Liturgie. Doch Diego bekam davon kaum etwas mit, denn er hatte nur Augen für seine Herzensdame.
Vergebens lauerte er auf eine Gelegenheit, sich ihr bemerkbar zu machen. Sie lauschte den Gesängen und drehte sich keinen Moment der Menge zu. Erst gegen Ende sah sie kurz zu den Leuten. Überrascht entdeckte sie Diego. Sie schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln.
Zu ihrer Mutter geneigt, deutete Mencía in seine Richtung. Diego sah, wie Doña Teresa der Tochter etwas ins Ohr flüsterte. Es schien, als schimpfte sie Mencía wegen ihrer Unaufmerksamkeit. Nur noch ein einziges Mal sah die junge Dame lächelnd zu Diego. Dann senkte sie fromm den Blick und folgte ganz der Liturgie.
Im Gegensatz dazu sah ihr Verehrer ungeduldig deren Ende entgegen. Er hatte Mencías Billett mit seiner Anschrift versehen in der Tasche. Wenn sie vorbeikam, wollte er es ihr rasch zustecken.
Nachdem er den Segen erteilt hatte, stimmte der Erzbischof das Tedeum an. Feierlich ergriffen fiel die Menge ein. Die Bühne leerte sich, und die Prozession setzte sich langsam in Bewegung.
Mencía ging nicht mehr in der Mitte, sondern am äußeren Rand, so dass sie näher an Diego vorbeikommen musste. Gemessenen Schrittes bewegte sich der Zug langsam voran, während Diego vor Ungeduld brannte. Die junge Dame strahlte ihn die ganze Zeit lächelnd an. Auch Doña Teresa hatte den Pferdeheiler ins Auge gefasst.
»Welch eine Überraschung, Diego! Ihr seid also gekommen!«
»Es wäre unverzeihlich gewesen, Eurer Einladung hierher nicht zu folgen.
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