Der Goldene Fluss by Monika Dettwiler

Der Goldene Fluss by Monika Dettwiler

Autor:Monika Dettwiler [Dettwiler, Monika]
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


17

Ich will den Puppenspieler sehen«, krähte Eberhard. Er ließ die Hand der Mutter los und zwängte sich an den Beinen der Erwachsenen vorbei nach vorn. Ita fügte sich und folgte dem Kind.

Immer mußte Eberhard seinen Willen haben. Seltsam, dachte Ita, während sie vor dem Münster in Basel den Puppen zuschaute. Ich habe keine Mühe, gegenüber meinem Mann und Liutpald meinen Willen durchzusetzen. Aber mein Dreijähriger benimmt sich wie ein Tyrann, und ich lasse es zu.

Deshalb hatte Ita ihren Sohn auf die Reise nach Basel mitgenommen. Die Amme und Udo hatten eine Ruhepause nötig. Seit Udo laufen konnte, nahm er alles, was er zu fassen bekam und zerquetschte es oder warf es umher. Auch Eberhards Windrädchen, seinen Kreisel und das Steckenpferd. Der ältere Bruder wehrte sich und warf mit Kissen, dann mit Steinen. Gute Worte nützten nichts. Udo verstand nicht, und Eberhard ignorierte Itas Mahnungen. Die Amme wußte nicht mehr, wie sie die Knaben voreinander schützen sollte.

Ita liebte Eberhard, aber er war ein Trotzkopf, seit er auf der Welt war. Als Säugling hatte er so laut geschrien, daß Liutpald befürchtet hatte, er sei vom Teufel besessen. Ita fragte die Linzgaugräfin um Rat, und die meinte, am besten helfe, wenn man schreiende Kinder in ein Erdloch stecke. Ita war empört, als sie erfuhr, daß dieses Mittel oft angewandt wurde. Schließlich drängte sie ihren Mann zu einer richterlichen Verfügung. Eltern, die ihre Kinder in Erdlöcher steckten, wurden künftig mit fünf Tagen Fronarbeit bestraft.

Als Liutpald im Juli 1038 eine Reise nach Basel plante, beschloß Ita, ihn zu begleiten und Eberhard mitzunehmen. Die Schiffahrt auf dem Rhein würde sie ablenken von der Sorge um ihren Mann. Eberhard war vor mehr als einem Jahr mit dem kaiserlichen Heer in die Lombardei gezogen, weil in Mailand ein Aufstand wütete. Ita hatte genug davon, auf der Nellenburg nach einem Boten Ausschau zu halten, der vielleicht schlechte Nachrichten brachte. Gerüchte von Gefechten und von Plünderungen drangen trotzdem bis zu ihr, aber sie weigerte sich, darüber nachzudenken.

Ita hatte noch einen anderen Grund, für eine Weile von der Nellenburg wegzugehen. Der alte Haushofmeister Kuno war im Frühling gestorben, und mit seinem Nachfolger, den Liutpald aus dem Neckargau geholt hatte, kam sie nicht gut zurecht. Mit seinem übertriebenen Ordnungssinn und seiner Angewohnheit, die anderen ständig an ihre Pflichten zu erinnern, paßte er nicht zur Familie. Ita ging ihm aus dem Weg, aber manchmal prallten ihre Ideen aufeinander. Sie sagte weiter, was sie zu sagen hatte, ob es um den Burghaushalt, die Weberinnen oder die Saat auf den Feldern ging. Der neue Haushofmeister lächelte süßlich, aber Ita spürte, daß er sie nicht mochte. Am liebsten würde er allen Frauen das Denken verbieten, dachte sie manchmal, wenn er sie mit seinen schwarzen Knopfaugen fixierte. Ita beklagte sich bei Liutpald, aber der Priester sagte, Eberhard habe den Mann selbst ausgewählt. Die Lage wurde immer gespannter, und mit den Wochen kam es Ita vor, als nähme der Mann ihr die Luft zum Atmen.

Sie blieben vor dem Münster stehen, bis der Puppenspieler seine Figuren in einen Tragkorb packte.



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