Der Geist des Nasreddin Effendi by Alexander Kröger

Der Geist des Nasreddin Effendi by Alexander Kröger

Autor:Alexander Kröger
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2011-12-20T11:52:50+00:00


Die Tage wurden öde. Nasreddin vergrub sich ins Leben, nahm das Neue in sich auf. Aber diese Freude wie zuvor machte es nicht. Schließlich mußte er annehmen, daß seine Anwesenheit Gusal unangenehm war, und er trug sich mit dem Gedanken, nunmehr doch den Kolchos zu verlassen. Diese Gedanken verscheuchte der erste Brief Sewaras, der, persönlich an ihn gerichtet, nicht geringes Staunen bei den Kollegen hervorrief, weil sie es nicht für möglich halten wollten, daß er tatsächlich in dieser kurzen Zeit perfekt lesen gelernt hatte. In der Tat hatte er Mühe, das Handgeschriebene zu entziffern. Sie berichtete munter von den Anfängen des neuen Semesters, von Eigenarten der Dozenten, aber ausdrücklich bat sie ihn zum Schluß, der Mutter Grüße zu bestellen und daß sie ihr im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Festlichkeit an der Universität die usbekische Tracht schicken möge. Im Brief an die Mutter hätte sie es vergessen zu schreiben.

Natürlich bemerkte Nasreddin die Absicht, aber er war dankbar für den Vorwand, den ihm Sewara bot, und er setzte die Gelegenheit noch am selben Tag in die Tat um. Wie zufällig richtete er es ein, daß er Gusal traf, als sie den Stall verließ, in dem sie die kranken Tiere zu betreuen hatte. Sobald sie seiner ansichtig wurde, schob sie das Tuch vor die untere Gesichtshälfte, senkte den Blick, kaum merklich seinen Gruß erwidernd, und ging geneigten Hauptes schnellfüßig davon.

Mit wenigen Schritten hatte Nasreddin sie eingeholt. »Auf ein Wort, Gusal«, sprach er sie an. »Ich habe Ihnen etwas auszurichten.«

Sie sah von der Seite scheu zu ihm hoch, trippelte jedoch im gleichen Tempo weiter, ließ somit nicht erkennen, ob sie geneigt war, ihn anzuhören oder nicht.

»Sie braucht ihre – Tracht«, rief er und vergab die Gelegenheit, mit ihr in ein Gespräch zu kommen. Er war ärgerlich geworden und bereute beinahe, Gusal angesprochen zu haben.

Wieder sah sie ihn an, lächelte ein ganz klein wenig und nickte. Damit schien aber die Sache für sie erledigt zu sein.

Sie bogen um das letzte Gebäude der Stallungen. Dennoch sah Nasreddin sich um, ob vielleicht noch andere in der Nähe seien, sie sehen konnten. Da er nichts dergleichen erblickte, faßte er sich ein Herz, ergriff Gusals Handgelenk, zwang so die Erschrockene, stehenzubleiben, sich ihm zuzukehren und zu ihm aufzusehen. »So geht das nicht, Gusal«, sagte er leise. »Sagen Sie mir klipp und klar, daß ich mich zum Scheitan begeben soll, aber behandeln Sie mich nicht so, so als hätte der Allmächtige mich in ein, ein…«, er suchte nach Worten, »einen Schafbock verwandelt.«

Mit geweiteten Augen sah sie ihn an, lange, sagte nichts. Das Tuch hatte sie fallen lassen.

Wie schön sie ist, dachte Nasreddin, und er hätte sie am liebsten an sich gezogen. Aber er wußte, daß die Situation, in der sie sich befanden, ohnehin schon heikel genug ausschauen mochte, für einen Uneingeweihten zumindest.

Da lösten sich zwei große Tropfen aus ihren Augen und rollten langsam das Gesicht hinab.

Sofort ließ Nasreddin Gusals Hand los. Hilflos stand er und biß sich auf die Lippen. Dann Stammelte er: »Verzeihen Sie einem Unwürdigen, Gusal, ich wollte Sie nicht kränken…«

Sie schüttelte langsam den Kopf.



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