Der Funke des Chronos: Ein Zeitreise-Roman (German Edition) by Finn Thomas

Der Funke des Chronos: Ein Zeitreise-Roman (German Edition) by Finn Thomas

Autor:Finn, Thomas [Finn, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492968331
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2014-07-13T22:00:00+00:00


Das Baumhaus

Hamburg 1842, 4. Mai,

eine Viertelstunde nach 8 Uhr am Morgen

Müde und zerschlagen starrte Tobias aus dem Fenster der Dachkammer, in der er zusammen mit dem Fremden die Nacht verbracht hatte. Von hier oben hatte man einen malerischen Blick auf den Hamburger Hafen und das Häusermeer der Stadt. Sein Blick schweifte über vertäute Schiffe aus aller Welt, deren Masten zum frühlingsblauen Himmel aufragten. Soeben legte ein englischer Dampfsegler schnaufend an einem der Kais an. Seine Rauchfahne wurde vom warmen Wind bis hinüber zu den Speichern des Kehrwieders auf der anderen Seite des Hafenbeckens getragen. Auf einem der Speicher war ein Kaminfeger damit beschäftigt, einen Schornstein zu reinigen, Matrosen trugen Ballen und Kisten an Land, und überall waren fleißige Lotsen, Schauerleute und Kontoristen zu sehen, die an den Kais und in den Speichern ihrem Tagwerk nachgingen.

Der Bärtige hatte ihn, nachdem sie gestern über den Keller des Nachbargrundstücks entkommen waren, über Umwege zu einem stattlichen Gebäude geführt, das er als das Baumhaus bezeichnete. Es hatte drei Stockwerke, besaß auf Höhe des höchsten Stockwerks eine umlaufende Dachterrasse und lag unmittelbar am Wasser. Es handelte sich bei diesem Gebäude um eine einstige Zollstation beim schwimmenden Schlagbaum, der den Binnen- vom Niederhafen trennte. Heute, so hatte ihm der Fremde erklärt, war in diesem Haus eine weithin bekannte Gastwirtschaft untergebracht, die bei den Hamburgern für ihre erlesenen Stockfischgerichte und das große Bierangebot bekannt war. Angeblich gab es in dem Gebäude sogar einen großen Saal, in dem der berühmte Komponist Georg Philipp Telemann einst Konzerte veranstaltet hatte.

Doch all das hatte Tobias nur am Rande zur Kenntnis genommen. Seine Gedanken waren noch immer bei den Ereignissen der letzten Nacht. Vor einer Viertelstunde war sein neuer Bekannter aufgestanden und hatte nach ihm geschaut. Doch Tobias war nicht nach Reden zumute gewesen. Daher hatte er so getan, als schliefe er. In Wahrheit hatte er die ganze Nacht kein Auge zugetan. Vor allem die Tatsache, daß er Caroline einfach zurückgelassen hatte, hatte ihn wach gehalten. Immer wieder mußte er an sie denken. Hoffentlich ging es ihr gut. Sie hatte sich auf ihn verlassen. Ganz sicher stand ihr gerade jetzt großer Ärger ins Haus. Und ebenso sicher hielt sie ihn für einen elenden Feigling.

Plötzlich fiel ihm auf, daß er schon lange nicht mehr an Katja gedacht hatte. Statt dessen spukte ihm immer nur Caroline im Kopf herum. Er mußte verrückt sein. Er gehörte doch nicht in diese Zeit.

Tobias seufzte.

Sein altes Leben schien ihm inzwischen unwirklich und seltsam bedeutungslos. Erstmals wurde ihm bewußt, daß ihn in der Zukunft – vielleicht abgesehen von Gerresheimer, seiner Nachbarin und ein oder zwei Kommilitonen – niemand besonders vermissen würde. Er lächelte bitter. Eigentlich konnte er sich selbst auf die Schultern klopfen. Eine tolle Lebensleistung.

Besser, er konzentrierte sich wieder auf diese verflixte Zeitmaschine. Er gestand es sich nur ungern ein, doch mit dem Kahlköpfigen war im wahrsten Sinn des Wortes seine letzte Hoffnung gestorben, sie irgendwann wieder aufzuspüren. Es sei denn, er würde diesen gewissenlosen Kapuzenträger finden, für den der Zungenlose gearbeitet hatte. Ganz sicher war dieser Mann für die Folterkammer unter der Abdeckerei verantwortlich.



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