Der Friedenskrieg by Vernor Vinge

Autor:Vernor Vinge [Vinge, Vernor]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Trivial-SF
ISBN: 9783641229009
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2018-11-30T23:00:00+00:00

22

Sie war in irgendeinem Schauerroman gefangen. Und das war noch das geringste ihrer Probleme.

Allison Parker saß auf einem Stein und blickte nach Norden. So weit von der Kuppel entfernt war das Wetter wie früher, vielleicht gab es ein bisschen mehr Regen. Wenn sie weder rechts noch links blickte, konnte sie sich einbilden, auf einem Campingausflug zu sein und sich in der Kühle des späten Morgens der Muße hinzugeben. Hier konnte sie sich einbilden, Angus Quiller und Fred Torres lebten noch, und wenn sie nach Vandenberg zurückkehrte, war vielleicht Paul Hoehler von Livermore heruntergekommen, um sich mit ihr zu treffen.

Aber ein Blick nach links zeigte ihr das Haus ihres Retters, tief unter dunklen Bäumen verborgen. Selbst am Tag war etwas Düsteres und Fremdartiges an dem Gebäude. Vielleicht lag es an seinem Eigentümer. Naismith, der alte Mann, wirkte so scheu, so sanft, und doch verbarg er irgendein schreckliches Geheimnis oder Verlangen. Und wie in jedem Schauerroman waren seine Dienstboten – auch sie in den Fünfzigern – ebenso scheu und verschlossen.

Natürlich waren in diesen letzten Tagen eine Menge Unstimmigkeiten beseitigt worden, deren größte der erste Abend war. Als sie den alten Mann ins Haus gebracht hatte, waren die Dienstboten sehr überrascht gewesen. Sie wollten nichts anderes sagen, als dass »der Meister« alles erklären werde, was erklärt werden müsse. Der »Meister« war zu der Zeit nahezu bewusstlos, sodass ihr das wenig half. Ansonsten hatte man sie gut behandelt, ihr Essen und saubere, wenn auch schlecht passende Kleider gegeben. Ihr Schlafzimmer war so etwas wie eine Mansarde. Seine Fenster lagen teils innerhalb, teils außerhalb des Daches. Die Möbel waren einfach, aber elegant; der geölte, gedrechselte Toilettentisch allein wäre dort … wo sie herkam, Tausende wert gewesen. Sie hatte auf der bunten Patchwork-Steppdecke gesessen und finster gedacht, entweder würde sie am Morgen ein paar Erklärungen bekommen oder zu Fuß zur Küste zurückgehen, ob dort feindliche Armeen standen oder nicht.

Es wurde immer dunkler, und das große Haus lag wie tot da. Leise, aber in der Stille deutlich zu hören, drangen Applaus und das Lachen eines Publikums bis zu Allison. Sie brauchte eine Sekunde, um sich darüber klarzuwerden, dass jemand einen Fernseher eingeschaltet hatte – tagsüber hatte sie kein Gerät bemerkt. Ha! Fünfzehn Minuten des Programms würden ihr über dieses neue Universum ebenso viel verraten wie ein Monat im Gespräch mit »Bill« und »Irma«. Sie öffnete ihre Schlafzimmertür und lauschte den fernen Geräuschen.

Das Programm kam ihr unheimlich bekannt vor. Es beschwor Erinnerungen an eine Zeit herauf, als sie noch kaum groß genug war, um den Schalter am Gerät ihrer Mutter zu erreichen. »Samstagabend«? Es war entweder das oder etwas sehr Ähnliches. Sie hörte noch eine Weile zu. Die Namen von Schauspielern und Politikern wurden erwähnt, die schon gestorben waren, ehe sie ins College eintrat. Allison stieg die Treppe hinunter, setzte sich zu den Morales und sah sich mit ihnen den ganzen Abend alte TV-Sendungen an.

Sie hatten nichts dagegen einzuwenden, und als die Tage vergingen, tauten sie in mancher Beziehung etwas auf. Dies war die Zukunft, rund ein halbes Jahrhundert nach Allisons Gegenwart.

Download

Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.