Der Fisch in uns by Neil Shubin

Der Fisch in uns by Neil Shubin

Autor:Neil Shubin [Shubin, Neil]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Eine innere Seeanemone

Unseren Körper mit dem von Fröschen und Fischen zu vergleichen, ist noch relativ einfach. Solchen Tieren sind wir in einem sehr realen Sinn recht ähnlich: Wir alle haben eine Wirbelsäule, zwei Beine, zwei Arme, einen Kopf und so weiter. Wie sieht es aber aus, wenn wir uns mit etwas völlig anderem vergleichen, beispielsweise mit den Quallen und ihren Verwandten?

Die Körperachse der meisten Tiere ist definiert durch die Bewegungsrichtung oder durch die Anordnung von Mund und Darmausgang. Denken wir einmal darüber nach: Mund und Darmausgang liegen bei uns an entgegengesetzten Körperenden, und der Mund befindet sich wie bei Fischen und Insekten in »Vorwärtsrichtung«.

Aber wie können wir uns in Tieren wiederfinden, die noch nicht einmal einen Nervenstrang besitzen? Die weder einen Darmausgang noch einen Mund haben? Quallen, Korallen und Seeanemonen besitzen zwar einen Mund, aber keinen Darmausgang. Durch die Öffnung, durch die sie ihre Nahrung aufnehmen, werden auch Abfallstoffe ausgestoßen. Diese seltsame Anordnung mag für Quallen und ihre Verwandten bequem sein, aber den Biologen, die sie mit anderen Tieren vergleichen wollen, bereitet sie Kopfschmerzen.

Eine ganze Reihe meiner Kollegen, unter ihnen Mark Martindale und John Finnerty, haben sich näher mit dem Problem beschäftigt und dazu die Entwicklung von Tieren aus dieser Gruppe untersucht. Besonders aufschlussreich sind dabei die Seeanemonen, denn sie sind enge Verwandte der Quallen und haben einen sehr einfachen Körperbau. Außerdem sind Seeanemonen so ungewöhnlich geformt, dass es auf den ersten Blick zwecklos erscheint, sie mit uns zu vergleichen. Eine Seeanemone hat die Gestalt eines Baumstammes mit einem langen Zylinder in der Mitte und einer »Krone« aus Tentakeln am Ende. Wegen dieser seltsamen Form ist sie besonders reizvoll, denn es sieht aus, als habe sie ein Vorn und Hinten, ein Oben und Unten. Vom Mund zur Unterseite des Tieres kann man eine Linie ziehen, der die Biologen auch einen Namen gegeben haben: sie wird als oral‐aborale Achse bezeichnet. Aber trotz dieses Namens muss sie nicht mehr sein als eine willkürlich gezogene Linie. Wenn es sich wirklich um eine richtige Achse handelt, ähnelt sie in ihrer Entwicklung möglicherweise einer unserer eigenen Körperachsen.

Wie Martindale und seine Kollegen entdeckten, sind einige unserer wichtigsten Körperbauplan‐Gene – nämlich diejenigen, die die Achse vom Kopf zum Darmausgang festlegen – in einfacher Form auch bei Seeanemonen vorhanden. Und was noch wichtiger ist: Diese Gene sind entlang der oral‐aboralen Achse aktiv. Das wiederum bedeutet, dass die oral‐aborale Achse dieser einfach gebauten Tiere die genetische Entsprechung zu unserer Achse vom Kopf zum Darmausgang ist.



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