Der Falsche Abt by Frank Goyke

Der Falsche Abt by Frank Goyke

Autor:Frank Goyke [Goyke, Frank]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historischer Kriminalroman
ISBN: 3434528148
Herausgeber: Die Hanse
veröffentlicht: 2004-07-07T22:00:00+00:00


DRITTES KAPITEL

Das Morden geht weiter

Als er am Morgen oder wann immer zu sich kam, befand sich Hermann Holthusen in einer unbekannten Umgebung. Da man die Fensterläden geschlossen hatte, war es dunkel in dem Raum, aber es drang genügend Sonnenlicht durch die Ritzen, dass Holthusen erkennen konnte, dass er nicht im Grünen Baum genächtigt hatte.

Dem Kaufmann und Richteherrn ging es schlecht. Der Kopf schmerzte, der Magen schmerzte, alle Glieder taten weh, und als er den Kopf zu heben versuchte, begann sich das Zimmer um ihn zu drehen. Erschöpft ließ er sich wieder fallen.

Allmählich kehrte die Erinnerung zurück. Er hatte mit Caspar Nürmperger und einem Schultheißen namens Weib, nein, namens Weibeler im Keller gesessen und die Weine des Würzburger Handelsherrn durchprobiert. Dieser Weibeler saß dem Schöffengericht auf der Brücke vor, war also bischöflicher Amtsträger und zugleich Ratmann der Stadt. Das städtische Leben in diesem Würzburg war ganz anders organisiert als im heimischen Wismar, wo der Rat alle Angelegenheiten selbständig entschied und der Herzog nur ein geduldeter Gast war, der sich im Fürstenhof aufhalten durfte. Der Würzburger Landesherr thronte auf der linken Mainseite hoch über der Stadt, sein Hof war mit Mauern umwehrt, er konnte von dort oben auf die Stadt schießen lassen und hatte es auch schon getan. Er hatte viel Macht, ja, er hielt fast die gesamte weltliche Gewalt in seinen Händen; dem Rat, wenn er ihn nicht ganz verbot, gab er nur ein kleines Stück von der Macht ab. Ohne den Fürstbischof ging in Würzburg nichts. In einer solchen Stadt wollte ein Holthusen nicht leben müssen.

Hermann versuchte noch einmal, den Kopf zu heben. Jetzt ging es bereits besser, das Zimmer drehte sich nicht mehr. Mühsam und ächzend kroch er aus dem Bett. Auf dem Boden standen die großen Satteltaschen, in denen er Kleidung und Reiseutensilien verwahrte. Ein Hausknecht musste sie auf Weisung Nürmpergers aus dem Grünen Baum geholt haben.

Die Weine, die der Handelsherr kredenzt hatte, waren samt und sonders hervorragend gewesen, jedenfalls nahm Holthusen es an; nach dem vierten oder fünften Glas hatte ihn der Geschmackssinn verlassen. Sein Misstrauen war dennoch nicht besänftigt. Es war nur natürlich, dass Nürmperger ihm die besten Tropfen vorgesetzt hatte, wollte er sich doch nicht ins eigene Fleisch schneiden und Holthusen als Kunden verlieren. Doch dessen Entscheidung war ins Wanken geraten. Sollte er sich nun einen neuen Lieferanten suchen oder nicht? Mit dieser Absicht war er nach Würzburg aufgebrochen. Nun war er sich nicht mehr sicher.

Vielleicht würde ihm frische Luft helfen, sein Kopf musste dringend ausgelüftet werden. Holthusen stieß die Fensterläden auf. Von frischer Luft konnte keine Rede sein. Wieder war es sehr heiß, doch als er einen Blick zum Himmel warf, entdeckte er, dass sich ein paar Wolken am Firmament zeigten. Womöglich würde es am Abend ein Gewitter geben.

Der Wismaraner Kaufmann kleidete sich an. Das war keine anstrengende Tätigkeit, aber an diesem Morgen fiel jede Bewegung schwer. Nur in Maßen genossen war der Wein ein Freund; nahm man Unmengen zu sich, beeinträchtigte er nicht nur das Urteilsvermögen, er zerstörte auch den folgenden Tag.

Holthusen stieg die Treppe hinab und begab sich schnurstracks zum Esszimmer.



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