Der Fall von Madrid by Chirbes Rafael

Der Fall von Madrid by Chirbes Rafael

Autor:Chirbes, Rafael
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783888979224
Herausgeber: Verlag Antje Kunstmann


11

Nein, heute Abend würde er nicht kommen. Deshalb hatte er angerufen. Und sie erzählte es gerade Chelo: »Wenn ich ehrlich bin, finde ich es ganz schön, wenn er mich ein wenig in Ruhe läßt«, sagte sie zu Chelo, während sie das Lokal putzten, bevor es geöffnet wurde. »Bähh, das ist ja eklig. Schau mal, Chelo, wie die Schweine das Bad hinterlassen haben, einfach daneben gekotzt. So ein Volk, bei sich zu Hause machen sie so was nicht, da regt die Ehefrau sich schon auf, wenn beim Schwanzabschütteln mal ein Tropfen auf den Deckel geht. Schweine«, schimpfte sie und dachte für sich: »Schmutzig, genau wie er, er ist auch so ein Schwein. Allein schon was der Kerl redete. Er schaute sie an und sagte, er wäre bereit, für sie zu stehlen, zu töten, und ihr machte das Angst, denn ihr kam es so vor, als wolle er ihr damit sagen, er sei bereit, sie zu töten. Wenn er sagte: »Für dich würde ich töten«, meinte er eigentlich, er könne sie töten, das dachte sie, weil er das manchmal auch sagte. »Du machst mich verrückt«, und daß ihm nichts anderes übrigbliebe, als sie zu töten, um seine Ruhe zu haben. Um sich von ihr zu befreien. Sie glaubte, daß er an dem Punkt angelangt war, an dem man merkte, daß jemand nicht verrückt nach dir ist, sondern verrückt um seiner selbst wegen; er liebt sich so sehr, daß er es nicht erträgt, daß eine andere Person ihm nicht die gleichen Gefühle entgegenbringt. »Es ist sehr sonderbar, Chelo, sehr sonderbar«, sagte sie zu ihrer Kollegin im Piscis Club, »er liebt dich, weil er dich verachtet, weil er dich für eine Ratte hält – ›mein Rättchen‹ nennt er mich in zärtlichen Augenblicken –, und er kann sich nicht vorstellen, daß eine Ratte nicht fasziniert von ihm ist, dankbar, was weiß ich… Das, was man Liebe nennt, ist oft nur eine andere Form der Verachtung. Ich verachte dich so sehr, daß ich nicht begreife, daß du dich nicht dem Besten, der dir je begegnet ist und der meilenweit über dir steht, mit Haut und Haaren hingibst. Daß du nicht verrückt nach mir bist, daß du auch noch andere anschaust.« Und diese Eifersucht, diese Verständnislosigkeit für die Tatsache, daß er nicht der Allergrößte war und dir ein anderer gefallen könnte, das nannte er Liebe. Da stimmte etwas nicht. Er wollte, daß sie ihn bestaunte, als habe er einen Körper, nein, das hatte er nicht, einen Dreck von Körper, sechzig schlecht gelebte Jahre. Daß sie hin und weg von ihm sein sollte, und dann kümmerte er sich aber auch nur redenderweise um sie, rief zehnmal am Tag an, kontrollierte sie, »Was machst du, wo bist du, mit wem, ich weiß, da ist einer«, verschwand dann, rief sie zwei Wochen lang nicht an, weil er angeblich auf Reisen war oder die Arbeit ihn zu sehr erschöpfte oder irgendeine andere Ausrede, mein Hundchen, ich lieb dich so sehr, aber Fressen gibt’s nicht mehr; und sie hatte keine Telefonnummer von ihm, konnte ihn nicht orten, wußte nicht, ob er sie schon satt hatte oder ihm etwas passiert war.



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