Der Fall Hirn by Artur Hermann Landsberger

Der Fall Hirn by Artur Hermann Landsberger

Autor:Artur Hermann Landsberger [Landsberger, Artur Hermann]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-01-15T00:00:00+00:00


* * *

Pino gönnte sich tagsüber Ruhe. Er kannte die Psychologie des Verbrechers zu gut, um nicht überzeugt zu sein, dass es den Einbrecher auch diese Nacht wieder an den Ort seiner Tat treiben werde. Es gab ja noch viel zu tun. Mit der Beraubung eines Schubes war es nicht getan. Und die Erfahrung lehrte ihn: entweder der Verbrecher mied peinlich den Ort der Tat — das war die Mehrzahl — selbst wenn er ihn Belastendes versehentlich zurückgelassen hatte; oder es trieb ihn unwiderstehlich an den Ort zurück, selbst wenn er wusste, dass die Tat entdeckt und die Behörden hinter ihm her waren.

Als es Abend wurde, ging Pino in die Hirnsche Villa. Frau Orta empfing ihn:

„Sie ahnen gar nicht, wie es mich beruhigt,“ sagte sie, „Sie des Nachts hier zu wissen.“ Pino dankte geschmeichelt.

Sie wies auf die Chaiselongue im Herrenzimmer, die sie für die Nacht hatte herrichten lassen.

Pino lächelte überlegen.

„Leider muss ich der Lockung widerstehen,“ sagte er.

„Was heisst das?“ erwiderte Frau Orta nervös — „Sie haben mir doch gesagt, Sie wollen hier übernachten?“

„Gewiss! Nur nicht da!“ und dabei wies er auf die in ein Bett gewandelte Chaiselongue.

„Wo denn?“

Er streckte den Arm nach einem der beiden Ritter aus und sagte feierlich:

„Dort!“

„In der Rüstung?“

„Ja!“

Pino stieg hinein.

„Hier stehe ich und warte ich, bis er kommt,“ erklärte er mit Pathos.

„Sie werden schwitzen.“

Er schüttelte das eiserne Haupt.

„Sie werden umfallen.“

Er erwiderte:

„Nein!“ schloss das Visier und sagte:

„Schlafen Sie wohl.“

Es klang wie aus einer andern Welt.

Frau Orta lief es kalt über den Rücken: sie ging eilig in ihr Zimmer und schloss sich ein. — Hirn hielt unterdessen wie am Abend zuvor in seiner Dachkammer Zwiesprache mit seinem Bett. Er redete sich zu, bespritzte die Bettwäsche mit Eau de Cologne, die er sich in weiser Voraussicht in einer Parfümerie erstanden hatte. Er suchte sich vorzutäuschen, es sei sein Bett, schloss die Augen und setzte zum Sprunge an. Aber irgendeine Macht stemmte sich dagegen, er stand gleich einem bockigen Pferde vor einem Hindernis, wie eine Mauer vor dem Bett. Er machte die Augen auf, schüttelte sich, machte kehrt, zog sich den Rock wieder über und eilte, ohne zu denken, gefühlsmässig zu seiner Villa.

Pino stand schon ein paar Stunden in Schweiss gebadet in der Rüstung und horchte bei dem geringsten Geräusch auf wie ein Spürhund. Aber er fühlte seine Kräfte von Minute zu Minute schwinden. Alle paar Augenblicke öffnete er das Visier und schöpfte Luft. Knie und Ellbogen, die sich längst an der Eisenwand durchgerieben hatten, schmerzten. „Hier stehe ich, und harre aus!“ redete er sich immer wieder zu, wenn die letzten Kräfte ihn zu verlassen drohten. Aber seine Spannkraft war gebrochen. Er hörte nicht, wie Hirn den Korridor entlang zu seinem Zimmer schlich.

Hirn öffnete leise die Tür und trat ein. Er zog sich hastig aus und legte sich zur Ruh. Er warf sich unruhig umher und fand trotz seiner Müdigkeit keinen Schlaf. Von innerer Unruhe getrieben sprang er auf, warf liebevolle Blicke nach der Tür hin, hinter der, nur durch das Bad getrennt, Frau Orta schlief. Dann wieder sah er auf das Bett.



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