Der Fall Deruga by Ricarda Huch

Der Fall Deruga by Ricarda Huch

Autor:Ricarda Huch [Huch, Ricarda]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 354824419X
Herausgeber: Ullstein
veröffentlicht: 1997-12-31T23:00:00+00:00


Beim Schluß der Sitzung waren alle Beteiligten mit Ausnahme von Deruga abgespannt, gereizt und aufgeregt. Herrn von Wydenbrucks Gedanken weilten bei dem Traume der verstorbenen Frau, den Ursula geschildert hatte, und er sprach sich darüber gegen Dr. Bernburger aus, als er neben ihm durch die breiten Gänge des Justizgebäudes ging.

»Das Kind«, sagte er, »das sie besuchte, war natürlich ein Bild für den Vater, das Schaukeln deutet auf sinnliche Regungen. Es ist zweifellos, daß sie ihn erwartete.«

Dr. Bernburger, der sehr blaß aussah, hatte sich eben eine Zigarre angezündet und begann sich etwas zu erholen.

»Das ist wahr«, sagte er hastig. »Die Schlüsse von zwei entgegengesetzten Richtungen treffen sich wie die Bohrer in einem Tunnel. Der hatte sie um Geld gebeten, das hatte ihre Erinnerungen belebt. Sie erwartete ihn in einer verliebten oder sentimentalen Stimmung. Er kam in der Verkleidung eines Hausierers, der hölzerne Löffel verkauft. Entweder ließ ihn die ins Geheimnis gezogene Ursula ein, er wußte ihre Aufmerksamkeit zu hintergehen, oder Frau Swieter selbst öffnete ihm. Wäre mir das Ergebnis der Voruntersuchung bekannt und hätte ich Fragen stellen können, so hätte ich den Tatbestand auf der Stelle herausgebracht. Ich lag auf der Folter, während dieser schwerfällige Apparat arbeitete.« Dr. Bernburger trocknete seine Hand mit dem Taschentuch ab, wobei seine dünnen Finger zitterten.

»Sie glauben also«, fragte Dr. von Wydenbruck, »daß der Wunsch des Wiedersehens von Deruga ausging und seinen Grund in der Geldsorge hatte?«

»Das halte ich für wahrscheinlich«, sagte Dr. Bernburger. »Jedenfalls hat der Slowak sie getötet, und der Slowak war Deruga.«

»Meiner Ansicht nach«, sagte Dr. von Wydenbruck, »lag die magnetische Anziehung zugrunde, die Hysterische verhängnisvoll zueinander zieht. Wie sich auch der Wunsch eingekleidet haben mag, dies muß der Kern gewesen sein.«

»Ob es möglich wäre, daß die weggeworfene Zigarette noch in dem Gebüsch läge?« sagte Dr. Bernburger, seine Gedanken verfolgend. »Aber wieviel Schnee und Regen ist schon darauf gefallen.«

»Warum könnte es nicht auch der mit dem Auto gewesen sein?« wandte Dr. von Wydenbruck ein.

»Er zeigte unbefangen, daß er es eilig hatte. Der andere verlangte Feuer, um unbefangen zu erscheinen, und warf die Zigarette gleich darauf fort, weil er gar nicht rauchen wollte. Übrigens haben Raucher meistens auch Zündhölzer bei sich. Außerdem fühlte ich es, sowie das Mädchen den Slowaken anführte. Ich sah es wie mit dem Zweiten Gesicht.«

Herr von Wydenbruck betrachtete seinen Freund mit einem neuen Interesse von der Seite. »Das wäre allerdings ausschlaggebend«, sagte er und erkundigte sich, ob sein Freund schon öfter solche Erscheinungen an sich beobachtet hätte.

In demselben Gang, den die beiden eben durchschritten, stand Deruga mit dem Justizrat Fein in einer Fensternische im Gespräch, beiläufig die Vorübergehenden beobachtend.

»Wenn ich der Präsident wäre«, sagte Deruga, »würde ich einen geladenen Revolver mit in die Sitzung nehmen und den Zeugen vors Gesicht halten, und wenn sie sich dann noch nicht entschlössen, vernünftig zu antworten, schösse ich sie nieder. Der Mann hat eine unbegreifliche Geduld.«

In diesem Augenblick sah er Dr. Bernburger mit seinem Begleiter herankommen, nahm rasch eine Zigarette aus seinem Etui, trat ein paar Schritte vor und sagte zu Dr. Bernburger: »Haben



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