Der Duft der weiten Welt by Lüders Fenja

Der Duft der weiten Welt by Lüders Fenja

Autor:Lüders, Fenja [Lüders, Fenja]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: History, Hamburg, 20. Jahrhundert, Kaiserreich, Familiengeschichte
ISBN: 9783732577804
Google: 8SOXDwAAQBAJ
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2019-10-30T23:00:00+00:00


Elf

»Fräulein Mina, hören Sie denn nicht?«

Mina schrak aus ihren Grübeleien hoch und sah in die fragenden Augen Frederik Lohmeyers, der ihr Tischherr war. »Wie bitte?«

»Senator Hullmann hat Ihnen eine Frage gestellt und Sie scheinen in Gedanken gerade meilenweit weg zu sein.«

Eilig wandte sie sich dem jovialen älteren Herrn zu, der ihr am Tisch gegenübersaß. »Tut mir leid, ich war wohl ein bisschen abgelenkt. Könntest du die Frage wiederholen, Onkel Henry?«

»Oh, ich wollte nur wissen, wie es dir im Pensionat gefällt, Deern.« Der glatzköpfige, wohlbeleibte Mann lächelte ihr zu.

Senator Henry Hullmann war ein langjähriger Freund der Familie. Inzwischen war er schon über sechzig Jahre alt, hatte seine Firma in der Nachbarschaft von Kopmann & Deharde vor ein paar Jahren an seinen Sohn übergeben und genoss den wohlverdienten Ruhestand, wie er es nannte. Trotzdem war er noch immer eine gewichtige Stimme im Verein der Kaffeehändler und an der Rohkaffeebörse, obwohl Kaffee nur einen Bruchteil seiner Handelsware ausgemacht hatte. Daneben importierte seine Firma Tee, handelte mit Erdnüssen und verschiedenen anderen Kolonialwaren. Mina kannte ihn schon, solange sie denken konnte. Da er bei ihrer Taufe Pate gestanden hatte, war es zwischen ihnen bei der vertraulichen Anrede »Onkel Henry« und dem Du geblieben.

»Sehr gut, Onkel Henry«, antwortete sie. »Ich habe eine nette Zimmergenossin, mit der ich Freundschaft geschlossen habe und mit der zusammen ich kaufmännisches Rechnen gelernt habe, stell dir das vor.«

Henry Hullmann lachte, dass sein umfangreicher Bauch auf und ab schaukelte. »Ja, davon habe ich schon gehört. Dein Vater hat von der Direktorin einen Brief bekommen, den er mir ganz stolz gezeigt hat. Was das Rechnen mit spitzer Feder angeht, hast du scheinbar sein Talent geerbt. Karl hat schon manchen Handel abgeschlossen, bei dem seinem Gegenüber fast die Tränen gekommen sind.«

Obwohl Mina eigentlich nicht danach zumute war, stimmte sie in sein Lachen ein. »Das mag wohl sein.«

»Aber mal im Ernst, Deern, warum quälst du dich denn mit so etwas Trockenem herum wie kaufmännischem Rechnen und Buchhaltung? Das ist doch eigentlich nichts, was junge Damen interessiert. Tanzen solltest du lernen und ein bisschen Haushaltsführung vielleicht. Oder wie man ein Abendessen für dreißig Personen plant. Sowas eben! Guck dir deine Großmutter an. Das hat sie nicht verlernt in all den Jahren.«

Er hob sein gefülltes Weinglas und prostete Hiltrud zu, die einige Plätze weiter am Kopf der mit feinstem Leinen, Tafelsilber und funkelnden Kristallgläsern festlich gedeckten Tafel saß. Sie hob ebenfalls das Glas und nickte huldvoll in Henrys Richtung.

»Ja, Hiltrud Kopmann weiß, wie man ein gelungenes Geburtstagsfest veranstaltet«, sagte Henry, nachdem er sein Glas in einem Zug geleert hatte. Sofort stand einer der Bediensteten, die Großmutter für heute Abend engagiert hatte, neben ihm und füllte nach. »Da nimm dir mal besser ein Beispiel dran, statt Gewinnmargen zu berechnen und Bilanzen zu schreiben.«

Mina spürte Ärger in sich aufsteigen und presste kurz die Lippen zusammen, um sich zu beherrschen. »Ich möchte eben für alle Fälle gerüstet sein, Onkel Henry. Wer weiß, was die Zukunft bringt. Wenn sich die Notwendigkeit ergibt, kann ich dank dieser Fähigkeiten mit in die Fima einsteigen.



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