Der Dorfpfarrer (German Edition) by Balzac Honoré de

Der Dorfpfarrer (German Edition) by Balzac Honoré de

Autor:Balzac, Honoré de [Balzac, Honoré de]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-03-27T22:00:00+00:00


IV

Madame Graslin in Montégnac

Nach einigen Augenblicken erschienen der Flecken Montégnac und sein Hügel; man bekam die neuen Gebäude zu Gesicht, durch die untergehende Sonne vergoldet und von der aus dem Kontrast sich ergebenden Poesie dieser hübschen Natur umflossen, die dort wie eine Oase in die Wüste hingestreut war. Madame Graslins Augen füllten sich mit Tränen; der Pfarrer zeigte ihr eine breite weiße Bahn, die wie eine Schmarre in dem Berge saß.

»Das haben meine Pfarrkinder getan, um ihrer Schloßherrin ihre Dankbarkeit zu beweisen,« sagte er auf diesen Weg hindeutend. »Wir können im Wagen zum Schlosse fahren. Die Rampe ist hergestellt worden, ohne daß sie einen Sou kostet; wir werden sie in zwei Monaten bepflanzen. Hochwürden können sich denken, was für Mühen, Sorgen und Ergebenheit es gekostet hat, um eine solche Aenderung zu bewerkstelligen.«

»Das haben sie getan!« sagte der Bischof.

»Ohne etwas dafür annehmen zu wollen, Hochwürden. Selbst die Aermsten haben mit Hand angelegt, da sie wußten, daß eine Mutter zu ihnen kam.«

Am Fuße des Berges erblickten die Reisenden alle Bewohner vereinigt, die Böllerschüsse abgaben und etliche Büchsen abschossen; dann boten die beiden hübschesten, weißgekleideten Mädchen Madame Graslin Blumensträuße und Früchte an.

»So in diesem Dorfe empfangen zu werden!« rief sie, Monsieur Bonnets Hand pressend, wie wenn sie in einen Abgrund stürzen sollte.

Die Menge begleitete den Wagen bis zum Ehrengitter. Von dort aus konnte Madame Graslin ihr Schloß, dessen Massen sie bis dahin nur erblickt hatte, ganz sehen. Bei diesem Anblick wurde sie wie von Schrecken gepackt über die Pracht ihres Wohnsitzes. Steine sind selten im Lande, Granit, auf den man im Gebirge stößt, äußerst schwer zu schneiden: der von Graslin mit dem Ausbau des Schlosses betraute Architekt hatte daher den Backstein zum Hauptelement dieses weiten Baues ausersehen; was ihn um so weniger kostspielig machte, als der Wald von Montégnac sowohl die Erde als auch die für die Herstellung notwendigen Hölzermengen hatte liefern können. In gleicher Weise war auch das Gebälk und der Stein für alle Mauerarbeit aus diesem Walde hervorgegangen. Ohne solche Ersparnisse würde sich Graslin ruiniert haben. Der größere Teil der Ausgaben war für Transporte, Ausbeutungen und Gehälter draufgegangen. So war das Geld im Flecken geblieben und hatte ihn belebt. Beim ersten Anblick und aus der Ferne stellt das Schloß ein ungeheures rotes Massiv vor, das von schwarzen, durch die Fugen hervorgebrachten schmalen Linien gestreift und von grauen Umrissen umrahmt ist, denn die Fenster, Türen, Gesimse, die Ecken und die steinernen Mauerkränze jedes Stockwerks bestehen aus Granit in Diamantrustika. Der Hof, der wie der des Versailler Schlosses ein unregelmäßiges Oval bildet, ist von Backsteinmauern umgeben, die in von Granitvorsprüngen eingerahmte Felder eingeteilt sind. Am Fuße dieser Mauern stehen Gebüsche, die bemerkenswert sind durch die Wahl des Gesträuchs in den verschiedensten grünen Tönen. Zwei prachtvolle Gitter, eins dem anderen gegenüber, führen auf der einen Seite nach einer Terrasse, die den Blick auf Montégnac hat, auf der anderen nach den Nebengebäuden und einer Pächterei. Das große Ehrengitter, bei dem die eben vollendete Straße endigte, ist von zwei hübschen Pavillons im Stil des XVI. Jahrhunderts flankiert.



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