Der Dorfapostel by Ludwig Ganghofer

Der Dorfapostel by Ludwig Ganghofer

Autor:Ludwig Ganghofer
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Th. Knaur Nachf.


Zehntes Kapitel

An diesem Sonntagmorgen erging es dem jungen Waldhofer, wie es am letzten Sonntag in der Früh dem Hanspeter ergangen war: man mußte mit Fäusten an die Tür seiner Stube trommeln, damit er nicht die Kirchenzeit verschlief.

»He! Bub! Willst ebba ins ander Säkuli ummi schlafen?«

Als Roman sich halb ermunterte und die Stimme des Vaters erkannte, schoß ihm eine Erinnerung durch die schlafschweren Sinne. »Du! Vater!«

»Was?«

»Der Hanspeter möcht reden mit dir. Sei so gut und schau a bißl eini!«

»No ja, meintwegen! Und du, Bub, tummel dich! Es is ebbes da für dich. Da kannst dei' Freud dran haben.«

Lachend ging der Waldhofer über die Stiege hinunter und in Hanspeters Kammer. Da spürte man noch allen Qualm, den die ausgebrannte Lampe zurückgelassen. »Sakra, hat's da herin a Düftl!« Der Waldhofer riß das Fenster auf; und weil auch die Türe noch offenstand, blies die frische Morgenluft mit kräftigem Hauch in die Stube. Ein Bündel Sonnenstrahlen flimmerte mit schrägem Band durch das Fenster herein und warf über die geblumten Kissen und über die Brust des Kranken ein Zitterspiel von goldigen Lichtern. Hanspeters Gesicht lag im Schatten eines Kissenzipfels, doch seine Nase bekam von der Sonne noch etwas ab – und das war ein merkwürdiger Anblick: dieses leuchtende Knöpfl inmitten des grauen, übernächtigen Gesichtes mit seinen grünen und bläulichen Sprenkeln, mit den schwarzen Ringen des Lampenrußes um die Augen, um die Lippen und um die Nasenlöcher. Es war dem Waldhofer nicht zu verdenken, daß er bei diesem Anblick lachen mußte. »Mensch, du schaust ja aus wie der Stieglitz, eh daß er d' Federn schiebt!«

Hanspeter haschte den Bürgermeister am Rockflügel und zog ihn zu sich ans Bett. »Waldhofer, um Christi willen, wann heut in der Gmein um der Nannimai ihr Häusl ghandelt wird, so tuts mir den Gfallen, Waldhofer, und redts für dös arme Weibl a Wörtl in der Güt!«

»No ja, meintwegen!«

»Geld is Geld, Waldhofer! Mein Geld is gut. Tuts abstimmen lassen über mein' Antrag! Fufzg Markln hab ich boten. Mehrer hab ich net, sonst tat ich mehrer geben. Aber fufzg Markln hab ich. Im Kasten hab ich s' drin. Soll ich s' Enk gleich mitgeben?«

Hanspeter wollte aus dem Bett springen. Aber lachend schob ihn der Bürgermeister in die Kissen zurück. »Jetzt gib an Fried, du Narr! Und laß dein Geld im Kasten!«

»Waldhofer! Schauts mich an, Waldhofer! Wann ebba 's Geld net gnug wär? Schauts mich an.« Hanspeter zerrte an der Brust das Hemd auseinander. »Schauts mich an und laßts mein Blut und mein' Wehdam a wengl mitzahlen. Blut is noch besser wie Geld.«

»No ja!« Halb lachte der Bürgermeister noch. Aber der Anblick dieses blutgesprenkelten Märtyrers, der seine Wunden für die Not eines armen Weibes betteln ließ, schien ihm doch ein wenig ans Gemüt zu greifen. »Bist a guter Kerl! Und jetzt gib dich z'frieden! Wann die andern net ihre bockbeinigen Schädeln aufsetzen, laßt sich vielleicht ebbes richten. Ich tat's schon dem guten Madl z'lieb. Aber no, wie's halt geht. Der Burgermeister is allweil der letzt. Aber laßt sich die Gmein ebbes sagen von mir, so soll die Alte ihr Häusl bhalten.



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