Der Doktor braucht ein Heim by Dische Irene

Der Doktor braucht ein Heim by Dische Irene

Autor:Dische, Irene [Dische, Irene]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Gretel wohnt in einer Villa am anderen Ufer der Donau, gemeinsam mit ihrem Vater, einem uralten, grimmigen Invaliden. Die Villa wird noch von einer anderen Gestalt bewohnt, einer Haushälterin, die sie samt all ihren Möbeln, den Kruzifixen und dem ersten Vertreter einer ganzen Dynastie von Dackeln mitgebracht haben. Diese Bedienstete ist ihr wertvollster Besitz, den ganzen Tag hastet sie herum, bedient sie und kocht ihnen die wagnerianischen Gerichte, an die sie gewöhnt sind. Sie hat das grimmigste Gesicht der ganzen Familie, meist aber sagen sie Engel zu ihr, weil sie ihr ganzes Leben ihnen gewidmet hat statt einem Ehemann.

Eine ihrer Hauptaufgaben besteht darin, mich vom Haus fernzuhalten. Tagsüber hält sie Wache neben dem Telefon. Sooft ich auch anrufe, es gelingt mir nicht, sie zu zermürben. Glauben Sie mir, ich habe es versucht. Es macht einen solchen Spaß, die Nummer zu wählen: 201-479-4301. Eine lyrische Nummer, der Anschluß einer schönen Frau.

Aber dann ist die Heilige am Apparat und sagt: »Domizil Dr. Umpfenbach.« Dr. Umpfenbach bezieht sich sowohl auf den Vater, einen Pathologen, wie auf seine pathologische Tochter. Der ursprüngliche Dr. Umpfenbach ist in seinem Beruf nicht mehr aktiv, er arbeitet heute als Wachhund und paßt auf, daß ich nicht an seine Tochter herankomme. Seine Aufgabe besteht darin, zu behaupten, sie sei nicht da, also kommt er mit polternden Schritten ans Telefon, reißt der Heiligen den Hörer aus der Hand, macht ihr lautstarke Vorwürfe wegen ihrer Unfähigkeit und nimmt die Sache persönlich in die Hand. »Sie können am Sonntag nachmittag kommen. Bitte, rufen Sie uns nicht mehr an, und lassen Sie Gretel in Frieden — Sie sind nicht mehr mit ihr verheiratet, Gott sei Dank!«

Was er über seine Tochter sagt, ist nicht unbedingt gelogen. Ich bin schon mit dem Taxi zu ihrer Villa gefahren, habe unter den Betten nach Gretel gesucht und festgestellt, daß sie wirklich nicht da war. »Sie arbeitet, sie arbeitet«, kreischte der alte Mann hinter mir. »In der Morgue!« Ich habe hinter einem Busch gewartet, bis sie abends nach Hause kam, bin ihr die Stufen zum Haus hinauf gefolgt und mußte ansehen, wie sie ihm all ihre überschüssige Hingabe mitbrachte.

Ich bin zu dem Schluß gekommen: Hier fühle ich mich am wohlsten, unter Österreichern, guten Österreichern. Die Teutonen haben die Juden schon immer besser verstanden als diese sich selbst. Hiermit lade ich alle Österreicher ein, mich in meinem Labor zu besuchen. Ich werde mir die Zeit nehmen und sie herumführen. Mein Labor befindet sich in der Universitätsklinik. Aber auch Nicht-Österreicher sind herzlich eingeladen.

Ach - Sie wissen nicht, wo das ist? Nun gut. Ich werde es Ihnen erklären: Sie nehmen die breite Straße, die von dem Platz in Drohobyc abgeht, neben der koscheren Metzgerei an der Ecke. Die Straße führt am Fluß entlang zu einer großen Brücke. Die überqueren Sie und gehen dann immer weiter, bis Sie zum Kentucky-Fried-Chicken kommen. Dann die nächste links und noch einmal rechts. Sehen Sie die Rosen? Sehen Sie die Dackelstatue? Dieses Haus ist dackelfreundlich. Der Hausherr heißt Happy, er ist zwanzig Zentimeter hoch, und sein Schwanz drischt wie ein Säbel hinter sich.



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