Der Blogger by Patrick Brosi
Autor:Patrick Brosi [Brosi, Patrick]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
ISBN: 9783863588625
Herausgeber: emons Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Nagel (VI)
13 Tage später – 6. September
»PERFEKT, WIRKLICH. Per-fekt.«
Nagel rappelte sich aufrecht, er war während Pommerers Monolog in den Stuhl gesunken.
»Und du hattest auf dem Bildschirm so was, so etwas – wie soll ich das in Worte fassen? Ah! Wie habe ich dich letztens genannt? Maigret. Du hast etwas Maigrethaftes. Das gefällt dem Zuschauer. Das sieht auf dem Bildschirm einfach erstklassig aus. Ein klassischer Ermittler. Wie Columbo! Nicht so ein Kriecher, wie es die Leute gewohnt sind, so ein Karrierist, der sich mit ein paar politisch überkorrekten Phrasen durch die Fragen der Journalisten manövrieren will.« Er lachte. »Andreas, wenn das nicht so unangebracht wäre, ich würde beinahe sagen, die Kamera liebt dich.«
Es kam nicht oft vor, dass Pommerer für ein Gespräch in Nagels Büro kam. Es war eigentlich noch nie vorgekommen, bis heute. Dabei hatte Nagel die Aufzeichnung der Pressekonferenz selbst gesehen und sich vor Scham abwenden müssen. Er hatte die Fragen der Journalisten mit einer ans Unverschämte grenzenden Schnoddrigkeit beantwortet. Nagel hatte keine Ahnung, wie es die Presseagenturen und Zeitungen der Republik, ja, der halben Welt geschafft hatten, binnen vier Stunden derart viele Vertreter in den Schwarzwald zu schicken. Die Gemeindehalle des Ortes hatte nicht ansatzweise ausgereicht. Es hatte fast eine Stunde gedauert, Nagel hatte immer und immer wieder dasselbe erzählen müssen: Dass man seit drei Tagen von einem vermissten jungen Mann gewusst hatte, dass die Leiche am Morgen gefunden worden war, dass es sich zweifelsfrei um René Berger handelte, den Enthüllungsblogger, den Whistleblower, den Mann, der dem Tod Hunderter Patienten etwas von seiner Sinnlosigkeit genommen hatte.
Das Blitzlichtgewitter hatte Nagel unerträgliche Kopfschmerzen beschert. Er war sofort nach der Pressekonferenz in Pommerers Wagen zurück nach Freiburg gefahren, zu seiner Frau, in sein eigenes Bett, wo der Gewerbekanal unter dem Fenster plätscherte. Um das zurückgelassene Gepäck im Schwarzwaldhof würde er sich heute kümmern. Nagel schaute auf die Uhr, es war bereits zehn Uhr morgens.
»Wirklich erstklassige Arbeit. Ich bin stolz auf dich. Ich habe es immer gesagt: Du bist mein bester Mann.« Pommerer stand auf.
»Nikolas«, sagte Nagel. Er öffnete die untere Schublade seines Schreibtisches. »Möchtest du vielleicht einen Kaffee?«
»Kaffee?« Pommerer zögerte. »Nein, danke, ich denke, ich verzichte. Ich hatte vor einer halben Stunde schon einen, meine Frau, weißt du.« Er tätschelte sich die Brust. »Ist der Meinung, zu viel Kaffee ist schlecht für die Gesundheit. Irgendein Autor ist mitten in seinem vierten Buch an einem Herzinfarkt gestorben, weil er pro Tag zwanzig Tassen getrunken hatte. Oder vierzig, das habe ich vergessen. Aber vielen Dank.«
»Wirklich nicht?«
Pommerer betrachtete ihn unschlüssig. »Nein, ich muss jetzt auch gehen, der OB. Außerdem, na ja, wir sehen uns.« Er beugte sich über den Schreibtisch, um Nagel die Schulter zu tätscheln. »Erstklassig.« Dann verschwand er.
Nagel schloss die Schreibtischschublade und zog eine andere auf, in der eine Packung Schoko-Kaubonbons lag. Als er die Tüte öffnen wollte, klopfte es an der Tür.
»Herein!«
Es war Nadja.
»Na? Den Urlaub am Titisee genossen?«
Nagel gab ein zynisches Glucksen von sich.
»Irgendwas dabei rausgekommen?«
»Vielleicht ja. Nicht das, was ich erhofft hatte.«
»War die Wanze weg?«
»Die war weg. Aber etwas anderes ist dafür aufgetaucht.
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