Der Berg: Roman (German Edition) by Simmons Dan

Der Berg: Roman (German Edition) by Simmons Dan

Autor:Simmons, Dan [Simmons, Dan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-05-25T22:00:00+00:00


Donnerstag, 7. Mai 1925

Wir sollten packen und absteigen«, sagt Jean-Claude im ersten Morgenlicht. Seit zwei endlosen, elenden, kalten, schlaflosen Tagen und Nächten sind wir in unserem Zelt gefangen.

Vorsichtig taste ich über die Hautfetzen, die mir vom Gesicht herunterhängen, und denke: Ja, höchste Zeit, dass wir abhauen. »Sei ganz ehrlich, Jean-Claude … hab ich Lepra?«

»Sonnenbrand«, erwidert J. C. »Du siehst wirklich furchtbar aus, mein Freund. Die Haut löst sich in roten und weißen Streifen, und deine Lippen und die Stellen unter der abblätternden Haut sind fast blau vom Sauerstoffmangel.«

»Rot, weiß und blau. Gott segne Amerika.«

»Oder vive la France.« Jean-Claude lacht nicht. Auch bei ihm und allen Sherpas mit Ausnahme Babus ist an Lippen, Gesicht und Händen ein bläulicher Ton zu erkennen.

Zum Frühstück und Mittagessen habe ich gestern an einem dosenförmig gefrorenen Stück Kartoffeln mit Erbsen gelutscht. Es schmeckte nach Petroleum wie alles andere, das die Sherpas in ihrem gemischten Gepäck geschleppt hatten. Später musste ich wieder hinauskriechen, um mich zu übergeben, und seither habe ich nicht mehr versucht, Nahrung zu mir zu nehmen. Immerhin ist es uns gelungen, die Dose Pfirsiche so weit aufzutauen, dass jeder von uns sechs einen winzigen Schluck Eissirup trinken konnte. Die quälende Ahnung von Flüssigkeit war fast schlimmer, als gar nichts Trinkbares zu haben.

Mir ist entsetzlich kalt.

In der ersten Nacht dachten J. C. und ich, dass die Sherpas dank ihrer geringen Körpergröße jeweils zu zweit in einen Schlafsack würden kriechen können, doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Die Schlafsäcke sind wie Kokons genäht, ohne Knöpfe oder Reißverschluss, daher gibt es keine Möglichkeit, sie auszubreiten wie Decken.

In der ersten Nacht trugen Ang Chiri und Lhakpa Yishay nur ihre wollene Außenkleidung, weil sie sich nicht wie J. C. und ich für den Daunenanzug entschieden hatten. Beide zeigten am nächsten Morgen Anzeichen von Erfrierungen an Händen und Füßen. Norbu Chedi musste in den zwei Nächten so heftig nach Luft schnappen, dass er den Kopf aus den Falten seines Schlafsacks streckte. Das Ergebnis sind weiße Froststellen in seinem Gesicht.

Also überließen Jean-Claude und ich in der nächsten Nacht unsere Daunenkleidung Ang Chiri und Lhakpa Yishay, mit der Folge, dass ich kein Auge zumachte. Die normalen Wollsachen, die ich darunter trug, reichten nicht, um mich in meinem Schlafsack warm zu halten. Gelegentlich döste ich trotz meiner miserablen Verfassung ein, doch immer wieder schreckte ich hoch, weil mir die Kälte oder das Gefühl zusetzte, erdrosselt zu werden. Oder beides.

Es tut gut, wieder auf den Beinen zu sein. Hastig ziehe ich meine Stiefel an und stopfe die hohen Filz-Lappländer tief in meinen leeren Rucksack. Jede Bewegung kostet Kraft und zwingt mich zu Pausen, in denen ich angestrengt Luft hole. Auch Jean-Claude muss das Binden seiner Schnürsenkel mehrmals unterbrechen. Die Sherpas sind noch langsamer und schwerfälliger als wir.

Endlich ist alles verstaut, und wir sind fertig angezogen. Für den Abstieg tragen J. C. und ich wieder unsere Daunenanzüge. Die vier Sherpas sacken stumm zusammen, als Jean-Claude uns daran erinnert, dass wir noch das Zelt, die Streben und die Bodenplane zusammenpacken müssen.

Ich stöhne verzweifelt. »Warum denn?« Reggies



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