Der Bader von St. Denis by Dieckmann Guido

Der Bader von St. Denis by Dieckmann Guido

Autor:Dieckmann, Guido [Dieckmann, Guido]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2016-03-15T00:00:00+00:00


15. Kapitel

Ambroise hatte nicht gut geschlafen. Für gewöhnlich träumte er zwar eher selten, und wenn, so erinnerte er sich am nächsten Tag nicht mehr an Einzelheiten. Doch an diesem Morgen hätte er die wirren Bilder, die ihn im Schlaf verfolgt hatten, ohne Mühe auf eine Leinwand malen können. Stöhnend riß er sich den verschwitzten Kittel vom Leib, knüllte ihn zusammen und warf ihn auf seinen Strohsack. Dann wankte er mit entblößtem Oberkörper zu der Kommode, in der er seine persönlichen Dinge verwahrte, und steckte seinen Kopf in die Waschschüssel mit kaltem Wasser, die er sich am Abend zuvor zurecht gestellt hatte. So verharrte er einige Herzschläge lang und lauschte benommen seinem Puls. Erst, als er erneut Luft holen mußte, hob er den Kopf wieder.

Als er seine Schlafkammer verließ, fühlte er sich ein wenig besser. Dennoch ärgerte es ihn, daß es bereits hell war. Er hatte seinen ersten Rundgang durch den Krankensaal versäumt.

Die Tür zur Halle war nur angelehnt. Ambroise atmete erleichtert auf, während er mit schnellen Schritten den Vorraum durchquerte. Er hoffte, daß die Wundknechte ihren Dienst bereits angetreten und den Verwundeten etwas zu essen gebracht hatten. Er selbst nahm sich vor, zunächst nach dem Soldaten mit dem Schwerthieb zu sehen. Die Männer mit den Schußverletzungen lagen vermutlich noch immer im Fieber. Sie würde er gleich im Anschluß besuchen, um, sofern noch nicht geschehen, kühle Wickel um ihre Waden zu binden. Dieses verdammte Öl, dachte er verdrießlich. Es war gewiß kein Schaden, daß es zur Neige ging. Wenn seine Ahnung sich bestätigte, so würde den Männern in Zukunft einiges an Schmerzen erspart bleiben. Vorausgesetzt, der Kaplan des Königs ließ ihn in Frieden und schnüffelte nicht länger in den Angelegenheiten des Spitals herum.

Als Ambroise durch die Tür trat, blickte er sich verwirrt um. Irgend jemand hatte ohne sein Wissen im Eingangsbereich, wo sich die Badezuber befanden, Reisekoffer, einige Kisten und drei Bündel aus karierter Wolle aufgestapelt.

»Verzeiht, Monsieur Paré«, hallte plötzlich eine sanfte, helle Stimme durch den Saal, »aber ich hörte, daß Ihr bereits seit geraumer Zeit verzweifelt auf eine Lieferung wartet.« Vor ihm stand eine elegant gekleidete, junge Frau, die lächelnd in einer dezenten Verbeugung versank und ihm dann ihre Hand reichte.

»Fioricia … ist es möglich …« Ambroise war so überrascht, daß ihm die Worte fehlten. Er ergriff die grazile Hand des Mädchens und führte sie kurz an seine Lippen. Dabei verwünschte er den Blutstrom, der seine Wangen und Ohren feuerrot färbte, als wäre er ein Knabe, der seinem ersten Kuß entgegen fieberte.

Fioricia war zurückgekehrt, allein, ohne jedes Geleit. Und sie war schöner, als Ambroise sie in Erinnerung behalten hatte. Als er sie verstohlen betrachtete, fiel ihm sogleich auf, daß ihr dichtes, blondes Haar gewachsen war. Sie trug es jedoch nicht offen, sondern unter einem hauchdünnen Schleier aus himmelblauer Seide, unter der einige zierliche Kämme aus Elfenbein hervorschauten. Ihr Kleid war aus kostbarem Damast geschneidert. Ambroise war sicher, noch nie zuvor einen derartigen Stoff gesehen zu haben. Die Ärmel waren von den Schultern an gepolstert und am Saum reich mit Silberfäden und schwarzen Perlen bestickt.



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