Defekt by Patricia Cornwell

Defekt by Patricia Cornwell

Autor:Patricia Cornwell
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2011-11-12T17:49:10+00:00


Es stört Marino, dass Dr. Seif die Tür hinter ihm schließt und sofort den Riegel vorschiebt, als wolle sie ihn aussperren.

Er empfindet die Geste und das, was sie andeutet, als beleidigend. So geht es ihm immer. Dr. Seif interessiert sich offenbar nicht wirklich für ihn. Für sie ist er nur ein Patient, und sie ist froh, dass sie ihn los ist und sich eine Woche lang nicht mehr mit ihm beschäftigen muss. Dann wird sie sich wieder fünfzig Minuten - und wirklich nur fünfzig Minuten, keine Sekunde länger - Zeit für ihn nehmen, auch wenn er seine Medikamente abgesetzt hat.

Das Zeug ist Mist. Mit dem Sex hat es nicht mehr geklappt, und was nützt einem das beste Antidepressivum, wenn man dann keinen Sex mehr haben kann? Wer unbedingt depressiv sein will, nimmt wohl am besten ein Antidepressivum, das ihm dann auch noch den Sex vermiest.

Marino steht in Dr. Selfs Wintergarten vor der verschlossenen Tür und starrt ziemlich benommen auf die beiden Stühle mit den hellgrünen Kissen und den grünen Glastisch, auf dem ein Stapel Zeitschriften liegt. Er hat die Zeitschriften alle gelesen, weil er immer zu früh zu seinen Terminen kommt. Das stört ihn ebenfalls. Viel lieber würde er sich verspäten und hereinschlendern, als hätte er Besseres zu tun, als einen Termin bei einer Psychologin einzuhalten. Aber in diesem Fall würden ihm die Minuten abgezogen, und er kann es sich nicht leisten, auch nur eine Minute zu verlieren, denn jede davon zählt und ist sehr teuer.

Sechs Dollar die Minute, um genau zu sein. Fünfzig Minuten und keine Minute länger. Keine Sekunde. Sie wird ihm nicht aus lauter Großzügigkeit und Nächstenliebe oder aus einem anderen Grund ein oder zwei Minuten schenken. Selbst wenn er mit Selbstmord drohen würde, würde sie nur auf die Uhr schauen und sagen: Wir müssen jetzt zum Schluss kommen. Er könnte ihr erzählen, dass er jemanden umgebracht hat, und mitten in seiner Schilderung, als er gerade im Begriff ist abzudrücken, würde sie ihn unterbrechen: Wir müssen jetzt zum Schluss kommen.

Sind Sie denn nicht neugierig?, hat er sie einmal gefragt. Wie können Sie ausgerechnet jetzt aufhören, ohne sich die Pointe anzuhören?

Den Rest der Geschichte werden Sie mir sicher hei unserem nächsten Termin verraten, Pete. Dabei lächelt sie immer.

Vielleicht lasse ich es ja auch. Sie haben Glück, dass ich überhaupt mit Ihnen rede. Viele Leute würden Geld dafür bezahlen, die ganze Geschichte zu erfahren. Die ganze Wahrheit.

Nächstes Mal.

Vergessen Sie es. Es wird kein nächstes Mal geben.

Dr. Seif lässt sich auf keine Diskussion ein, wenn es Zeit zum Aufhören ist. Ganz gleich, was er auch tut, um noch ein oder zwei Minuten herauszuschlagen, steht sie auf, öffnet die Tür und wartet ab, bis er gegangen ist, damit sie hinter ihm abschließen kann. Sie weigert sich zu verhandeln. Sechs Dollar pro Minute, und wofür? Damit sie ihn beleidigen kann? Er weiß nicht, warum er immer wieder kommt.

Er betrachtet den kleinen nierenförmigen Pool mit dem Rand aus bunten spanischen Kacheln. Dann mustert er die Orangen- und Grapefruitbäume, die sich unter der Last ihrer Früchte biegen, und die roten aufgesprühten Streifen an den Stämmen.



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