Dead 2: Band 2 - Roman (German Edition) by Craig DiLouie

Dead 2: Band 2 - Roman (German Edition) by Craig DiLouie

Autor:Craig DiLouie
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-08-10T22:00:00+00:00


JEAN

Sie war am Verhungern. Jemand hätte hinausgehen und Nahrung suchen sollen, aber dazu waren sie zu schwach. Und Prendergast wollte einfach nicht die Klappe halten.

Sie hatten sechs Tage in der Kunstgalerie festgesessen. Statt zur Zuflucht war sie zum Grab geworden. Sie starben allmählich und waren von Prendergasts riesigen grauenhaften Gemälden umgeben.

Der Künstler selbst lag, alle viere ausgestreckt, unter einem seiner Gemälde und schwitzte heftig. Sein zerknittertes schwarzes Hemd war hochgezogen und entblößte den runden weißen Bauch.

»Mein Werk verbindet das Reale und das Imaginäre«, sagte er.

»Ihr Werk idealisiert Ideologie durch literarische Entlarvung, und doch ist reale Ideologie eine versteckte Kraft, eine treibende politische Kraft; nichts, das man einrahmen kann, um darauf zu deuten«, hauchte Jean, die sich anstrengen musste, um deutlich zu sprechen. »Die Gemälde stellen den Widerspruch zwischen dem Realen und dem Imaginären zur Schau; nicht das, was sie gemeinsam haben.«

»Die Verbindung ist im Inneren des Konflikts dieser Gegensätze«, beharrte Prendergast. »Mein Werk ist als Norm ausgedrückter Faschismus. Man kann es kaufen, man kann es benutzen, man kann es wegwerfen.«

Jean schloss die Augen. Ihr fehlte die Kraft, noch etwas zu sagen.

Am anderen Ende der Galerie saß Gary an der Wand, umklammerte seine Knie und wiegte sich vor und zurück. Er beobachtete sie aus zusammengekniffenen Augen. Sie wirkten, als hätten sie sich in seinen Schädel zurückgezogen.

Es war seine Idee gewesen, Ricky Prendergast und Jean Byrd zusammen in die Galerie zu holen. Die Galerie gehörte ihm, und seiner Ansicht nach war Prendergast der kommende Mann. Die Gemälde des Künstlers und ihre Deklaration eines krassen Totalitarismus waren abstoßend und anziehend zugleich. Ihre Größe hüllte den Betrachter ein, bedrohte seine Individualität und war dennoch eigenartig verführerisch und versprach eine Existenz ohne Gedanken. Und sie flüsterten einem zu, dass man es doch eigentlich genau so haben wollte.

Die Kunstkritikerin Jean kam von der Ostküste und schrieb für mehrere wichtige Kunstzeitschriften. Ihre Feder hatte manchem Künstler die Karriere geebnet, aber mehr zerstört, als sie zählen konnte. Sie und Gary waren vor drei Jahren nach Grady Tallmans Vernissage (die sie später scharf kritisiert hatte) in New York zusammen ins Bett gefallen. Als er erfahren hatte, dass sie nach Akron kam, hatte er sie überredet, seiner Galerie in Hopedale einen Besuch abzustatten und etwas über Prendergasts Ausstellung zu schreiben. Nachdem die Brüllerei vom Flugverkehr bis zur Grundversorgung alles zum Erliegen gebracht hatte, hatte er bezweifelt, dass sie auftauchte. Doch sie war gekommen.

»Es wird dir gefallen«, hatte Gary als Erstes gesagt als sie morgens vor seiner Tür stand. »Seine Bilder sind wie Propaganda für ein absolutistisches Fantasy-Regime. Wenn man sie sieht, möchte man einem Nazi aufs Maul hauen. Mann, Jean, ich bin ja so froh, dass du gekommen bist!«

Er hatte sie geküsst, gelacht und ihr eine Mimose in einem Sektkelch gereicht. Er hatte ihr erzählt, wie gut sie in ihrem schwarzweißen Chanelkleid aussah. Sie hatte an ihrem Glas genippt und sein Lächeln erwidert. Gary war zwar ein Kleinstadtmensch, aber unglaublich lieb, und sie hatte immer eine Schwäche für ihn gehabt.

Jean, die sich bewusst war, dass Gary sie im Auge behielt, war durch die Galerie gerauscht und zu dem Ergebnis gekommen, dass Prendergasts Werk nichts taugte.



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