Das verlorene Wochenende by Jackson Charles

Das verlorene Wochenende by Jackson Charles

Autor:Jackson, Charles [Jackson, Charles]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: literatur
veröffentlicht: 2014-11-09T23:00:00+00:00


Fünfter Teil

Die Maus

Kurz vor Morgengrauen weckte ihn das Geräusch der zuknallenden Haustür drei Stockwerke unter ihm. Es war nur ein dumpfer, ferner Schlag, und er fragte sich, wie er es überhaupt hatte hören, geschweige denn davon aufwachen können.

Er lag da und lauschte. Schritte kamen die Treppe herauf. Er hörte sie auf jedem Aufgang, jedem Absatz und jedem Flur. Er war nicht sicher, aber es schienen zwei Personen zu sein. Ja, jetzt war er sicher. Er hörte sie die letzten Stufen heraufkommen und genau vor seiner Wohnungstür stehen bleiben.

Er lag regungslos auf dem Rücken, mit geschlossenen Augen, um besser hören zu können. Einige Minuten herrschte Stille. Dann begann das Gespräch.

»Was machen wir bloß mit Don?«

»So ein Jammer.«

»Irgendetwas muss geschehen.«

»Wir können nicht mehr lange so weitermachen.«

»Er auch nicht.«

»Was sollen wir tun?«

»Was ist zu tun?«

»Was meinst du?«

»Und du?«

»Was machen wir bloß mit Don?«

Das Erschreckende war, dass dieses Gespräch flüsternd geführt wurde, in einem lauten Bühnenflüstern mit viel Atemluft und Zischlauten, aber doch flüsternd. Die Wörter drangen so deutlich durch die geschlossene Tür und über die kleine Diele bis in sein Schlafzimmer, als würden sie direkt neben seinem Kissen gesprochen.

Er wusste, dass es eine Halluzination war. Der Beginn eines Zusammenbruchs? Das Delirium ist ein Leiden der Nacht, er erinnerte sich. Er hörte Stimmen. Seine Ohren wurden von den anderen Sinnen zum Narren gehalten. Als er die Augen öffnete und an die Decke schaute, verstummte das Flüstern sofort. Sobald er sie zumachte, war es wieder da: Was machen wir bloß mit Don?

Es galt, die Augen weit offen zu halten und irgendetwas anzusehen, sich auf einen Gegenstand zu konzentrieren, ihn genau zu betrachten. Er richtete sich ein wenig auf, beugte sich zum Schreibtisch vor und fixierte die kleine Shakespeare-Gipsbüste, die er seit Jahren überallhin mitgenommen hatte, an der er immer festgehalten, die er nie verloren oder vergessen oder zurückgelassen oder verpfändet oder verkauft hatte, und das Flüstern hörte auf. Vielleicht konnte er die Kontrolle wiedergewinnen, indem er an alle anderen Schreibtische und Kommoden, Anrichten, Regale und Schränke, an die Kaminsimse und Truhen und Nachttische und Tische und Borde dachte, auf denen die kleine Büste schon Platz gefunden hatte. Es war ein selbstgefälliges, arrogantes kleines Gesicht und sah Shakespeare vermutlich nicht ähnlicher oder sogar weniger ähnlich als er selbst, aber sein Herz hing daran. Er schloss die Augen und legte sich zur Probe wieder aufs Kissen. Die Flüsterer sagten: Was machen wir bloß mit Don, so kann es nicht immer weitergehen, irgendetwas muss passieren …

Er rollte sich aus dem Bett und stand auf; und ertappte sich dabei, wie er sich laut räusperte, als wollte er die Flüsterer warnen, dass er in seinem Zimmer zugange war. Er kam sich vor wie ein Idiot, fast hätte er gelächelt, denn er wusste doch, dass niemand da war, es gab nicht den geringsten Zweifel daran, nicht einmal in seiner überspannten Verfassung. Erst als er aufstand, begriff er, wie schwach er war. Er schaffte es kaum, bis zur Schlafzimmertür zu gehen, sie zu schließen und wieder zum Bett zurückzukehren.

War es damit getan?



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