Das verleugnete Leben by Wolfgang Fleischer

Das verleugnete Leben by Wolfgang Fleischer

Autor:Wolfgang Fleischer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG


23. OFFIZIER UND SCHRIFTSTELLER

Mit dem Jahr 1940, das vom Erscheinen des Umwegs bestimmt werden hätte sollen, begann die längste Behinderung seiner Kunstausübung.

Seit Beginn seines Militärdienstes ,ruhte‘ auch seine Parteimitgliedschaft. Das hieß nun keineswegs, daß Doderer sie ,ruhen ließ‘ oder daß eine solche Möglichkeit überhaupt vorgesehen war, sondern daß er – als Frontsoldat – an der Tätigkeit der Ortsgruppe nicht mehr teilnehmen konnte und damit automatisch vom Mitgliedsbeitrag befreit war; ebenso wie seine Mitgliedschaft bei Beendigung des Militärdienstes automatisch wieder aufleben würde. Das entsprach der Vorschrift und hatte den Sinn, innerhalb der Wehrmachtsverbände keine Spannungen zu schaffen wie etwa jene, daß ein Soldat, der Mitglied der NSDAP war, sich einem nicht bei der Partei befindlichen Offizier überlegen fühlen könnte; die absolut notwendige hierarchische Struktur der Kampfverbände sollte nicht gestört werden; außerdem gab es durch SS und Gestapo genügend Möglichkeit der politischen Kontrolle, welche die Partei sich selber und nicht einzelnen Mitgliedern vorbehalten wollte.

Am 30. April rückte Doderer nach Kamenz in Sachsen, ganz in der Nähe von Dresden, ein, wo er zuerst einmal einen achtwöchigen Ausbildungskurs zu absolvieren hatte. Dabei ging es eher rauh zu: sein Tag begann um halb sechs Uhr morgens und endete erst um sieben Uhr abends; er hatte auch kein Zimmer für sich, sondern mußte mit anderen im selben Raum schlafen. Der Tag wurde nicht nur mit Lernen verbracht (etwa drei bis vier Stunden), sondern auch mit sehr viel Exerzieren (fünf Stunden!), sowie Turnen und Sport, wobei er stolz war, damit gut zurecht zu kommen, was nicht auf alle zutraf. Im übrigen lobte er, daß die Verpflegung ganz ausgezeichnet sei: natürlich wiederholte sich das aus dem Ersten Weltkrieg (und wohl allen übrigen Kriegen) bekannte Phänomen, daß die Krieger auf Kosten der ,Zivilisten‘ (hauptsächlich der Frauen und Kinder) ordentlich gestärkt wurden.

Doch im Gegensatz zur Rekrutierung, bei der fast alle angenommen worden waren, wurde hier durch Härte ordentlich gesiebt. Noch behandelte man die Offiziere nicht wie solche, sondern eher wie Rekruten: sie mußten Stube und Spind täglich sauber halten, Gewehr putzen und ähnliches, aber die größte Anforderung war die körperliche – und rund ein Drittel von ihnen wurde ausgeschieden, weil sie dem nicht standhielten. Warum Doderer diese Möglichkeit nicht nutzte, sondern – mit seinen vierundvierzig Jahren – seine körperliche Tüchtigkeit betonte, ist nicht leicht zu verstehen. Vielleicht war es tatsächlich schwierig, etwas vorzuschwindeln und konnte nachteilige Folgen haben. Seine Strategie für die Zukunft war jedenfalls klar: er wollte – ohne Ehrgeiz, ohne Nachlässigkeit – seine Pflicht so tun, daß er nach Möglichkeit nicht auffiel, weder in positivem noch negativem Sinn.

Was man mit dem Leutnant von Doderer (im Dritten Reich durfte er das Adelsprädikat wieder führen) vorhatte, ergab sich aus seiner militärischen Erfahrung des vorigen Krieges: und die war nicht sehr groß gewesen. Reserveoffiziere ohne besonders verwertbare Erfahrung wurden gern zur Luftwaffe einberufen: um auf den sogenannten ,Fliegerhorsten‘ die Bodentruppen zu kommandieren und Verwaltungsarbeit zu erledigen, was auch einen erheblichen Teil des Lernprogramms in Kamenz ausmachte; solche ,Luftwaffenoffiziere‘ wurden von den Fliegern übrigens als zweitrangig angesehen.

Nach dieser achtwöchigen Ausbildung bekam er



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