Das tote Kind by Ele Wolff

Autor:Ele Wolff [Wolff, Ele]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-95573-317-9
Herausgeber: Klarant Verlag
veröffentlicht: 2015-11-18T16:00:00+00:00

16

Das Firmengelände lag im äußersten Norden der Stadt Leer im Stadtteil Nüttermoor. Das Bürogebäude auf der linken Seite war ziemlich neuwertig. In großen roten Buchstaben prangte der Name WEERTS auf dem Gebäude.

Gegenüber befand sich eine große Halle, davor mehrere Parkplätze, auf denen zwei große Transporter mit der Firmenaufschrift standen.

Henriette hatte heute Morgen länger mit sich gerungen, sich dann aber für eine Taxifahrt entschieden. Sie ließ den Wagen ein paar Hundert Meter vor der Firma halten, bezahlte den Fahrpreis und stieg aus. Es war kühl an diesem Augusttag. Das Wetter hatte umgeschlagen. Ein frischer, kühler Ostwind wehte über Ostfriesland.

Besser hätte das Wetter nicht sein können. Henriette hatte gestern Abend den alten Regenmantel ihrer Mutter aus dem Schrank im Keller geholt. Nach langem Suchen im Garderobenschrank im Flur fand sie ein ihr gänzlich unbekanntes Kopftuch. Sie zog den Mantel an und band das Kopftuch um. Erwartungsvoll betrachtete sie sich in dem großen Spiegel. Perfekt. Sie würde genau den Eindruck erwecken, den sie beabsichtigte. Weltfremd, unbeholfen und geschwätzig.

In dem Moment verließ Edda durch die Flurtür ihre Buchhandlung. »Zum Glück Feierabend. Heute war wieder der Teufel los.« Sie stutzte. »Wie siehst du denn aus?« Edda hielt sich sofort die Hand vor den Mund. Trotzdem konnte sie einen mittelmäßigen Lachanfall nicht verhindern.

»Ich bin im Einsatz«, erklärte Henriette selbstbewusst ihrer Schwester. In kurzen, knappen Worten klärte sie Edda über ihr Vorhaben auf.

Edda pfiff anschließend leise durch die Zähne. »Sehr kreativ.«

»Muss man auch. Sonst erfährt man ja nichts.« Henriette bat Edda noch, weitere Hintergrundinformationen über das Transportunternehmen Arnold Weerts im Internet einzuholen.

Jetzt stand sie in voller Verkleidung vor dem Firmentor und beobachtete das Treiben auf dem Hof. Ein Mann mit einem Bündel Papieren in der Hand lief über das Gelände und bestieg einen der Transporter. Kurze Zeit später lenkte er sein Gefährt durch das Tor auf die Straße. Henriette hatte sich hinter einen Laternenpfahl geflüchtet. Sie wollte nichts von der riesigen Abgaswolke einatmen.

Sie richtete noch einmal ihr Kopftuch und überquerte strammen Schrittes den Hof. Die Tür mit der Aufschrift Büro knarrte ein wenig. Henriette betrat einen schmalen Raum. Der Holztresen war vollgepackt mit Papieren. Auf dem Schreibtisch dahinter türmten sich Aktenordner. Eine junge Frau mit blonden Rastalocken sah auf.

»Moin. Kann ich was für Sie tun?« Sie schob einen Kaugummi von einer Seite zur anderen ihres Mundes.

»Moin.« Henriette steckte ihre Hände in die Taschen ihres Mantels. »Ich hätte da mal eine Frage.«

»Ja?«

»Ja, also meine Nichte. Sie ist jetzt mit der Schule fertig und sucht jetzt einen Ausbildungsplatz.«

»Im Büro?«

»Ja, eventuell.«

Die junge Frau griff an ihren Mund, nahm den Kaugummi raus und warf ihn in den Papierkorb unter ihrem Schreibtisch. Sie beugte sich jetzt leicht über den Tresen.

»Also ich lerne hier Speditionskauffrau. Ein cooler Job. Meine Kollegin ist nett.«

»Ist sie in Urlaub?« Henriette sah sich um, ob sich noch eine Person im Raum befand.

»Nee, hat frei.«

Die Bürotür öffnete sich. Ein Mann in Arbeitskleidung betrat den Raum. »Moin Cindy.« Er knallte eine blaue Mappe auf den Tisch. »Wann kommt denn der Chef?«

»Müsste eigentlich jeden Moment hier sein.« Cindy schenkte dem Mann ihr schönstes Lächeln.

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