Das rote Halsband by Rufin Jean-Christophe

Das rote Halsband by Rufin Jean-Christophe

Autor:Rufin, Jean-Christophe
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C. Bertelsmann Verlag
veröffentlicht: 2014-10-01T04:00:00+00:00


6

Valentine hatte nicht hereinkommen wollen. Sie stand vor der Tür des Hotels. Obwohl Lantier zu nichts zu gebrauchen war, bevor er seinen Kaffee getrunken hatte, erkannte er sie von Weitem. Er hatte nicht mit ihrem Besuch gerechnet, zumindest nicht sofort und nicht am frühen Morgen. Aber sie musste die ganze Nacht wach gelegen und nachgedacht haben, und nun stand sie da, mit verschlossener Miene und gefasstem Entschluss.

»Guten Tag, Valentine«, sagte er, als er auf die Schwelle hinaustrat. »Kommen Sie doch herein. Trinken Sie einen Kaffee mit mir.«

Sie hielt einen Korb in beiden Händen und balancierte ihn verlegen mit ausgestreckten Armen. Lantier dachte an ihren Vater, den politischen Agitator, dem sie, Gabarre zufolge, ähnlich sein sollte. Er war zweifellos vom gleichen Schlag gewesen, ein Mann, der in der Lage wäre, ein Bürgerhaus in Brand zu stecken, aber eingeschüchtert war, wenn er hereingebeten wurde. Schließlich gelang es ihm, sie zu überzeugen, und sie trat ein.

Als er ihr durch die tapezierten und mit Gemälden geschmückten Hotelflure folgte, begriff er, was sie zurückhielt. In ihrem Haus war sie im Einklang mit der Umgebung. Hier jedoch wirkte sie in ihrem groben Kleid und ihren Holzpantinen wie ein Aschenbrödel.

Er führte sie auf die Rückseite des Gebäudes, wo auf einer kleinen Terrasse Gartenstühle aufgestellt waren. In diesem äußeren Rahmen wirkte sie weniger fehl am Platz als in den stuckverzierten Salons.

Er bestellte einen Kaffee. Sie wollte nichts. Hinter dieser Weigerung spürte man ihren unbedingten Willen, die Menschen, die sie als ihre Feinde betrachtete, nicht um das Geringste zu bitten. In gemäßigterer Ausprägung hätte dieses Prinzip achtbar und sogar Furcht einflößend wirken können. Ins Extrem gesteigert und auf so belanglose Dinge wie eine Tasse Kaffee angewandt, nahm es sich lachhaft und kindisch aus.

Sie hatte ihren Korb auf den Boden gestellt und tat, als suchte sie etwas darin, um ihre Befangenheit zu überspielen. Als die Kellnerin Lantiers Kaffee gebracht hatte und sie ungestört waren, begann sie ohne Umschweife und mit drohendem Blick.

»Ich will ihn doch sehen. Und ich will, dass er das weiß.«



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