Das nackte Gesicht by Sidney Sheldon

Das nackte Gesicht by Sidney Sheldon

Autor:Sidney Sheldon [Sheldon, Sidney]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-07-20T04:00:00+00:00


Judd nahm ein Taxi und fuhr zu seiner Praxis.

Es war Freitag nachmittag. Nur noch drei Einkaufstage bis Weihnachten. Auf den Straßen drängten sich die Menschen, warm eingepackt gegen den scharfen Wind, der vom Hudson herauffegte. Die Schaufenster waren festlich dekoriert, überall standen brennende Weihnachtsbäume und geschnitzte Krippenfiguren. Friede auf Erden. Weihnachten. Wieder dachte er an Elizabeth und das ungeborene Kind. Eines Tages – sofern er überlebte! – würde er selbst seinen Frieden suchen, die Vergangenheit abschütteln müssen. Mit Anne wäre es sicher möglich … Er zwang sich, nicht daran zu denken. Was hatte es für einen Sinn, von einer verheirateten Frau zu träumen, die mit ihrem Mann, den sie liebte, nach Europa gehen würde.

Das Taxi hielt vor dem Haus. Judd stieg aus und sah sich beklommen um. Er mußte sich vorsehen – aber wovor? Er hatte keine Ahnung, wie die Mordwaffe aussah, noch wer sie auf ihn richten würde.

Als er oben in der Praxis war, schloß er sich ein. Er ging in sein Sprechzimmer und holte die Tonbänder aus dem Geheimfach. Sie waren unter dem jeweiligen Namen des Patienten chronologisch geordnet. Er suchte die jüngsten aus und stapelte sie neben dem Abhörgerät. Da alle Termine abgesagt waren, konnte er sich den ganzen Tag damit beschäftigen und versuchen, einen Hinweis auf Freunde oder Angehörige seiner Patienten zu entdecken. Zwar hielt er Moodys Vorschlag für unsinnig, aber er hatte zu viel Respekt vor ihm, um seinen Rat zu ignorieren.

Während er das erste Band einlegte, mußte er daran denken, wie er das Gerät zum letztenmal benutzt hatte. War das wirklich erst gestern abend gewesen? Noch die Erinnerung daran war ein Alptraum. Sie hatten ihn umbringen wollen – in diesem Zimmer, in dem auch Carol gestorben war!

Plötzlich fiel ihm ein, daß er bisher nie an die Patienten in der Klinik gedacht hatte, in der er einen Vormittag wöchentlich arbeitete. Es kam wohl daher, weil die Morde sich hier oder in der Nähe der Praxis ereignet hatten und nicht im Klinikbereich. Trotzdem … Er ging das Fach mit der Aufschrift KLINIK durch und wählte ein halbes Dutzend Bänder aus. Er fädelte das erste Band ein.

Rose Graham.

»… ein Unfall, Doktor. Nancy schreit so viel. Sie war immer ein quengeliges Baby. Wenn ich sie schlage, will ich nur ihr Bestes, verstehen Sie, Doktor?«

»Haben Sie schon mal versucht, dahinterzukommen, warum Nancy so viel schreit?« fragte Judds Stimme.

»Weil sie verwöhnt ist. Ihr Papa hat sie restlos verwöhnt, und dann ist er abgehauen und hat uns sitzengelassen. Nancy hat immer gemeint, sie wäre Papas Liebling. Aber wenn Harry sie wirklich liebgehabt hätte, wäre er doch nicht so einfach abgehauen – oder?«

»Sie waren nicht verheiratet mit Harry?«

»Hm … nein. Nicht richtig. Wir wollten heiraten.«

»Wie lange haben Sie zusammen gelebt?«

»Vier Jahre.«

»Und wann haben Sie Nancy den Arm gebrochen? Ich meine wie viele Tage oder Wochen nach Harrys Verschwinden?«

»Ungefähr ‘ne Woche danach. Aber es war ja keine Absicht. Das kam doch bloß, weil sie gebrüllt und gebrüllt hat, und da hab ich eben die Gardinenstange gepackt und hab sie gedroschen.«

»Meinen Sie, daß Harry das Kind mehr geliebt hat als Sie?«

»Nein.



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