Das letzte Schwurgericht: Ein Simon Kerner Thriller (German Edition) by Huth Günter

Autor:Huth, Günter [Huth, Günter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Echter Verlag
veröffentlicht: 2015-01-06T05:00:00+00:00

22

Der Anruf eines sehr angespannt wirkenden Eberhard Brunner erreichte Kerner am späten Abend dieses verhängnisvollen Tages. Er war tief geschockt, als er vom erneuten Anschlag des Killers erfuhr. Ein gewisser Oliver Scheiner, Filialleiter einer großen Buchhandlung in Würzburg, war das bedauernswerte Opfer. Die Krähe am Flughafen war also auch hier, wie er befürchtet hatte, die Ankündigung dieses Mordes gewesen.

»Simon, du machst dir keine Vorstellung, was in der Sonderkommission los ist. Unsere Pressestelle wird mit Anfragen der bundesweiten Presse und Fernsehmedien regelrecht bombardiert. Die Polizeipräsidentin sitzt uns im Nacken, und wir sind dem Täter noch keinen Schritt näher. Die Handschrift des Killers ist wieder eindeutig. Die Inszenierung der Hinrichtung, ist identisch mit den bisherigen«, fuhr der Kriminalbeamte fort und umriss Kerner kurz die Umstände des Mordes in der Buchhandlung.

»Mein Gott, soll das denn immer so weitergehen«, stöhnte Kerner. »Wir müssen diesem Wahnsinn unbedingt ein Ende bereiten!« Er atmete kurz durch. »Hast du die fünf Schwurgerichtsfälle überprüft, die ich herausgefiltert habe?«

»Ich habe einen meiner Mitarbeiter in den Justizvollzugsanstalten anrufen lassen, in denen die in Frage kommenden Verurteilten einsitzen. Drei davon sind nach wie vor weggesperrt. In zwei Fällen sind die Verurteilten allerdings nicht mehr im Vollzug.«

Simon Kerner richtete sich kerzengerade auf.

»Wie das?«

»In dem Fall Rasvan Zahorneanu wurde der Verurteilte vor zwei Jahren nach Rumänien abgeschoben. Wir haben nachgeforscht. Er sitzt im Hochsicherheitsgefängnis in Bukarest wegen schwerer Körperverletzung eine langjährige Freiheitsstrafe ab. Ich denke, den können wir ebenfalls vergessen.

Zuletzt haben wir dann noch Alexander Thannenberger, der wegen Mordes zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Er ist vor einigen Monaten in der Justizvollzugsanstalt an Krebs verstorben. Er wurde eingeäschert. Der scheidet damit auch aus. Es tut mir leid, Simon, aber ich befürchte, in dieser Richtung kommen wir nicht weiter. Irgendwie bin ich im Augenblick total blank!«

Als Kerner den Namen Thannenberger hörte, kam bei ihm leichtes Unbehagen auf. Es war der letzte Fall des Schwurgerichts unter dem Vorsitz des ermordeten Dr. Kürschner und sein letzter Einsatz als Vertreter der Staatsanwaltschaft, bevor er mit der Spezialaufgabe Main-Spessart-Mafia betraut worden war. Thannenberger wurde ebenfalls von Rechtsanwalt Redelberger als Pflichtverteidiger vertreten. Er, Kerner, war als Staatsanwalt immer ein sehr zielstrebiger Vertreter der Staatsmacht gewesen und hatte, insbesondere bei den seiner Meinung nach klaren Indizien des Falles, eine Verurteilung mit Höchststrafe angestrebt. Bei Dr. Kürschner und in Anbetracht der minderen Qualität des Verteidigers keine allzu schwierige Aufgabe. Ein besserer Anwalt hätte vielleicht ein günstigeres Urteil erreichen können, weil hier praktisch nur aufgrund von Indizien entschieden wurde. Es gab zwar im Prozess noch Beweisanträge, aber er hatte sich als Staatsanwalt gegen sie ausgesprochen. Auch das Schwurgericht lehnte sie ab. Ein guter Strafverteidiger hätte seinem Mandanten geraten, gegen das Urteil Revision einzulegen. Das hatte Redelberger aber aus unerfindlichen Gründen nicht getan, und somit war die Verurteilung rechtskräftig geworden. Aus heutiger Sicht sah Kerner seinen unnachgiebigen Verfolgungsdrang kritisch. Vor allen Dingen, seit er selbst auf dem Richterstuhl saß und entscheiden musste.

In den drei Prozessen, in denen Dr. Kürschner, Richter Großmann und Dr. Bruckner beteiligt waren, war Redelberger Pflichtverteidiger. Mit erschreckender Klarheit sah er die Richtigkeit seiner These.

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