Das letzte Polaroid - Roman by Aufbau

Das letzte Polaroid - Roman by Aufbau

Autor:Aufbau [Aufbau]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-11-17T05:00:00+00:00


Notstromaggregat

Die braune, klebrige Flüssigkeit lief über meine helle Jeans und tropfte auf den Boden. Ich streckte die schäumende Coladose, die ich mir zusammen mit dem Passwort für den Computer an der Kasse gekauft hatte, weit von mir. Der Besitzer pfiff mir nach und warf mir einen nassen Lappen zu. Ich war zum ersten Mal im Internet-Café. Vorher hatte ich nur hin und wieder an meinem Laptop meine Mails gecheckt, doch den Wechsel von München nach Budapest hatte das Gerät offenbar nicht verkraftet, seit Tagen blieb der Bildschirm schwarz. Selbst Csaba, der in seiner Bibliothek bei allen Computerfragen gerufen wurde, wusste keinen Rat und brachte den Laptop für mich zur Reparatur. So las ich die Zeilen meines Vaters mit ein paar Tagen Verspätung. Er schrieb:

Ich war an deiner Wohnung und wollte nach dem Rechten sehen. Eine blonde Frau hat sich aus dem offenen Küchenfenster gebeugt und Kringel geraucht. Sie sagt, sie ist Schauspielerin und deine Nachmieterin. Ihr Name klebt auf dem Klingelschild. Kommst du nicht mehr zurück?

Ich ging in eine der Telefonkabinen und rief Simon an, er nahm nach dem ersten Klingeln ab.

Ich wollte es dir schon die ganze Zeit sagen. Ich wollte dich heute anrufen und fragen, ob Luisa in deiner Wohnung übernachten kann.

Wie lange geht das schon so?

Nicht lange. Vier Wochen.

Schick mir sofort meinen Wohnungsschlüssel.

Es folgten zahlreiche Nachrichten, in denen er mir alles erklären wollte. Der Regisseur hätte sich von ihm getrennt und wäre mittlerweile mit einem der Techniker zusammen. Luisa hätte sich wochenlang um ihn gekümmert, für ihn gekocht und mit ihm Text gelernt. Und als sie aus ihrer WG geflogen war, hatte er sich revanchieren wollen. Da sei ihm auf die Schnelle nur meine Wohnung eingefallen. Er hätte mir das noch gesagt. Ganz bestimmt. Ich antwortete nicht. Als ich in der U-Bahn saß, schrieb er erneut:

Wenn ich schon im Beichtstuhl sitze: Luisa und ich sind ein Paar. Und wir haben beide in deiner Wohnung gewohnt. Der Schlüssel ist unterwegs zu dir, und wir suchen uns etwas anderes. Aber deinen Pflanzen geht es gut.

Ich ging zur Kasse, kaufte eine neue Cola und eine Tüte mit sauren Pommes und Esspapier. Der Besitzer sah mich mitleidig an und schenkte mir einen Schlüsselanhänger mit einem blinkenden Herzen aus Plastik.

Ein Geschenk des Hauses, sagte er in gebrochenem Deutsch und lächelte schief.

Auf dem Weg zu Èvas und Csabas Wohnung verpasste ich meine Haltestelle, stieg drei Stationen später aus und setzte mich auf der gegenüberliegenden Seite wieder in eine U-Bahn. Alle Sitzplätze waren belegt, eine Horde blau gekleideter Mädchen mit großen Sporttaschen hatte das Abteil okkupiert. Ein Handy wanderte durch die Reihen, offenbar hatte eine von ihnen einen Jungen fotografiert, der allen gefiel. Oder ging es um Justin Bieber? Als ich aus dem Fenster sah, war ich wieder an meiner Station vorbeigefahren. Ich stieg aus und ließ mich von der Rolltreppe nach oben bringen. Der strömende Regen schlug mir entgegen und durchnässte meine Haare, mein T-Shirt, meine Jeans. Ich stellte mich in einer Metzgerei unter und kaufte ein Paar Pfefferbeißer, die die Verkäuferin in eine Cellophantüte steckte.



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