Das letzte Gebet by Gear

Das letzte Gebet by Gear

Autor:Gear
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-01-28T05:00:00+00:00


27

ALS SIE ÜBER den letzten Hügel ritten, kam das dunkle, mondbeschienene Meer in Sicht, und Zarathan seufzte erleichtert. Möwen krächzten am Himmel und glitten auf dem kühlen Meereswind dahin.

»Wie weit noch?«, fragte er.

Barnabas zog die Zügel an und hielt. »Ich weiß nicht … Nichts hier kommt mir vertraut vor.«

»Aber wir sind doch weit genug von Agrippias weg?«

»Ja, aber ich sehe diese Felsnadel mit den zwei Steinhaufen nicht, von der dieser Mann gesprochen hat. Du vielleicht?«

Zarathan ließ den Blick übers Land schweifen. Die Umrisse der Hügel waren deutlich zu erkennen. Unglücklicherweise erinnerte die Aussicht an eine riesige Ebene voller Kamelhöcker, durchbrochen von felsigen Wadis. Die weiße Brandung teilte die Welten von Erde und Wasser. Die Wellen, die sich am Strand brachen, funkelten im Mondlicht; dahinter, weit im Osten, erstreckte sich die düstere Linie von Felswänden scheinbar bis in die Ewigkeit, eingerahmt von sanft geschwungenen Dünen.

»Vielleicht sollten wir am Strand unser Lager aufschlagen und uns erst am Morgen umsehen, wenn wir wieder Licht haben«, schlug Barnabas vor.

»Gute Idee«, meinte Zarathan. »Wenn schon sonst nichts, können wir dann wenigstens ein paar Muscheln suchen und roh essen.«

Cyrus und Kalay ritten neben sie. Cyrus hatte sein lockiges schwarzes Haar hinter die Ohren geschoben, wodurch sein bärtiges Gesicht hart und gefährlich wirkte. Er sagte: »Am Strand zu lagern, in so offenem Gelände, macht mich unruhig. Lasst uns einen besseren Platz suchen.«

Barnabas nickte. »Also gut. Du reitest voran, Cyrus.«

Cyrus trieb sein Pferd zu einem langsamen Schritt an, und Barnabas und Zarathan trotteten ihm hinterher.

Gelegentlich kamen Bauern und Fischer an ihnen vorüber, die nach einem harten Arbeitstag heimgingen nach Agrippias. Einige von ihnen machten ein Schutzzeichen gegen das Böse, bevor sie weitereilten.

Zarathan wusste nicht, was er davon halten sollte. »Warum tun die das?«

»Es sind einfache, ungebildete Menschen, Zarathan. Vielleicht halten sie drei Mönche in verdreckten Roben für Apostaten.«

»Drei Mönche in verdreckten Roben, die mit einer Frau reisen«, sagte Zarathan mit leiser Stimme. »Das ist unser Problem.«

Barnabas erwiderte nichts darauf, obwohl er wusste, dass Kalays Gegenwart ihnen nicht gerade half. Warum sollte eine anständige Frau auch mit drei Mönchen reisen? Je mehr Zarathan darüber nachdachte, desto mehr kam er zu der Erkenntnis, dass sie tatsächlich Ausgestoßenen ähnelten, wenn nicht sogar Briganten.

»Es ist ziemlich kalt heute Nacht.« Barnabas zitterte und atmete schaudernd aus.

Zarathan runzelte die Stirn. Es war zwar eine kühle Nacht, aber so kalt nun auch wieder nicht. Seit Tagen zogen sie nun schon in ihren dünnen Roben unter den Sternen dahin. Hatte der alte Mann sich eine Erkältung geholt? Es wäre keine Überraschung. Jedes Mal, wenn Zarathan in den vergangenen Tagen aufgewacht war, hatte er Cyrus Wache stehen und Barnabas im Gebet knien sehen. Allein Kalay schien gut zu schlafen, doch sie hatte ja auch ihren langen schwarzen Mantel, um es sich bequem zu machen.

»Warum hat der Mann im Dorf Libni ›das alte Schreckgespenst‹ genannt?«

»Wahrhaft heilige Menschen sind stets Furcht einflößend, Zarathan. Das Licht Gottes brennt in ihren Augen wie Schmiedefeuer. Gewöhnliche Menschen empfinden das als beunruhigend«, erwiderte Barnabas und schaute aufs leere Meer hinaus. Die Wasserwüste erstreckte sich nach Westen, hin zum Rand der Welt und den Ungeheuern, die in der ewigen Tiefe lebten.



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