Das ist eine Geschichte - Roman by Kathrin Gerlof

Das ist eine Geschichte - Roman by Kathrin Gerlof

Autor:Kathrin Gerlof [Gerlof, Kathrin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Verlag
veröffentlicht: 2014-04-13T22:00:00+00:00


Johanna Wollweber

Die ersten Tage ihres Urlaubs waren ein Desaster. Der Besuch bei Hedwig Gottwald hatte das Unheil eingeleitet, obwohl nichts Schlimmes passiert war. Aber in Gedanken verwendete sie das Wort Unheil, wenn sie an den Besuch dachte.

Johanna Wollweber hatte das Haus in der Salomon-Weinreb-Straße schnell gefunden. Es war eine kleine lustige Straße, an deren Anfang ein Schild stand: Wendehammer am Ende der Straße. Johanna Wollweber hatte sich über das Wort amüsiert und ebenso über das Schild Marke Eigenbau. Irgendjemand hatte unter den Spruch mit schwarzem Stift Hammer und Sichel gekritzelt. Und jemand anders hatte versucht, es abzuwischen. Mit mäßigem Erfolg. Dann hatte ein noch größerer Witzbold Wendehälse unter den Wendehammer unter die verwischten Symbole sowjetischer Großmacht geschrieben. Johanna Wollweber schien es, als sei der Wettkampf um die Deutungshoheit des Wortes Wendehammer Inbegriff allen Elends, das sie gleich erfahren würde.

Hedwig Gottwald bewohnte ein hübsches Haus, nicht allzu groß und innen ein wenig verschattet durch die hohen Bäume, die auf dem Grundstück standen. Johanna Wollweber hatte das sanft nach hinten abfallende Land schön gefunden. Es kam wie ein winziger Wald daher, bei dem offensichtlich niemand den Versuch gemacht hatte, akkurate Beete anzulegen und Wagenräder zu bepflanzen. Stattdessen gab es eine Sitzecke unter einer Linde und links und rechts zu den Nachbarn hin Blumenrabatten, die aussahen, als seien sie zufällig entstanden. Johanna Wollweber wusste noch von ihrer Mutter, wie viel Arbeit dieser Eindruck des Zufälligen machte. Vor allem wenn man wollte, dass den ganzen Sommer über etwas blühte. Ihre Mutter hatte Bücher gewälzt und stundenlang mit der Frau des Gärtners geredet, zu dem sie zu Beginn jedes Frühjahres und jedes Herbstes fuhr, um eine Menge Geld loszuwerden. Johanna Wollweber hatte ihre Mutter meist begleitet und sich tödlich gelangweilt, wenn die ins Reden mit der Gärtnersfrau kam. Eine Nachbarin wie Hedwig Gottwald wäre für ihre Mutter besser gewesen als die zahlreichen Buchsbaumtanten und Koniferenweiber, die in der Nachbarschaft gewohnt hatten.

Hedwig Gottwald hatte draußen unter der Linde den Kaffeetisch gedeckt und sich bemüht, das Ganze wie einen netten kleinen Besuch wirken zu lassen, zu dem sie irgendwann einmal eingeladen hatte. Und Johanna Wollweber hatte mitgespielt. Ihr lag nicht daran, so zu tun, als hätte sie das Mandat schon angenommen. Sie wollte zwar auch nicht unprofessionell wirken, aber doch ein wenig unverbindlich. Und das war ihr gelungen, wie sie im Nachhinein fand. Sie hatte mit Hedwig Gottwald über Warenberg gesprochen und die Zeiten vor der Wende. Die Frau hatte ein paar Geschichten darüber erzählt, wie schwierig es gewesen war, Häuser und Grundstücke wie das ihre instand zu halten.

Mein Mann hatte ja auch noch zwei linke Hände, wissen Sie, da konnte man nicht mal Handwerk gegen Material tauschen. Gerade mal, dass der mithelfen konnte, wenn irgendwo ein Garagendach geteert werden musste. Also haben wir Spargel gegen Material getauscht. Den Spargel bekamen wir von den Eltern meines Mannes, die hatten nicht weit von hier einen Garten und bauten dort welchen an. Spargel gegen Zement, Spargel gegen Fensterglas, Spargel gegen Fliesen. Spargel ging immer. Heute bekommt man so viel, wie man haben möchte, und schon hat er seinen Reiz und vor allem seinen Tauschwert verloren.



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