Das giftige Herz by Virginia Doyle

Das giftige Herz by Virginia Doyle

Autor:Virginia Doyle [Doyle, Virginia]
Die sprache: eng
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2010-11-28T23:00:00+00:00


13 TOTENKOPF

Wanner entschloss sich, Hedwig zu besuchen. Wegen des Herzens, sagte er leicht verächtlich zu sich selbst. Außerdem machte ihn Frau Esslinger langsam wahnsinnig mit ihren fanatischen Bäckereien. Jeden Abend verlangte sie aufs Neue von ihm, dass er in die Küche kam. Und jeden Tag fielen ihr neue Arten von Plätzchen, Küchlein oder Süßigkeiten ein, bei deren Zubereitung sie seine Hilfe brauchte. Mal schaffte sie es nicht, die einzelnen Teigteile für die Spitzbuben übereinander zu setzen, weil ihre Hände angeblich zu zittrig waren, mal dachte sie sich aufwendige Kuvertüren aus, zum Beispiel für die Haselnussherzen, die nur ein »junger Mann, der nicht so zittrig ist« sauber auftragen konnte. Als nach den Walnusstalern und den Schokomakronen auch noch die Seufzerle an die Reihe kamen, riss dem Inspektor der Geduldsfaden. Einen Abend lang saß er im Wirtshaus »Zum Maulbeerbaum« vor einem großen Bierkrug und brütete vor sich hin. Aber zum einen schmeckte ihm der hiesige Gerstensaft nicht so gut wie der in München, zum anderen war es ihm zu laut. Ständig kam jemand an seinen Tisch und wollte einen Bericht über die Fortschritte der Ermittlungen haben. Dabei interessierte es kaum jemanden wirklich, was mit den beiden ungleichen Mordopfern, dem armen Jungen und dem prominenten Ratsherrn, geschehen war und warum. Man führte einfach gern forsche Reden und malte sich lachend noch Schlimmeres aus: »Pass auf, Inspektor, Weihnachten schicken sie dir einen abgeschnittenen Kopf als Geschenk ins Haus!« Dummes Geschwätz, sicher, aber eines war klar: Bis Weihnachten musste er den Fall aufgeklärt haben. Es waren nur noch wenige Tage. Der Oberrat war schon sehr ungehalten. Wenn Wanner den Fall bis Weihnachten nicht aufgeklärt hatte, dann würde er in Ungnade fallen. Vielleicht, dachte er manchmal hoffnungsfroh, könnte er ja nach erfolgreicher und rechtzeitig getaner Arbeit auf ein gutes Wort des Oberrats hoffen. Vielleicht würde er eine Versetzung befürworten, fort aus diesem Frankenland, wo die Menschen so verstockt und rechthaberisch waren, zurück nach Bayern. Hauptsache, er musste nicht hier im Norden bleiben.

Und nun stapfte er durch den harschen Schnee, auf den schon wieder neue dicke Flocken gefallen waren, und gelangte zu dem Haus, in dem eine gewisse Frau Kusch eine Pension für allein stehende Mädchen unterhielt. Natürlich war es jetzt am Abend nicht der rechte Zeitpunkt, um eine junge Frau zu besuchen, aber Wanner war ja in dienstlicher Angelegenheit unterwegs, die keinen Aufschub duldete.

Es kam jedoch anderes, als er sich am Fenster stehend erhofft hatte. Er wurde keineswegs zur schönen Hedwig ins Zimmer gelassen, wo er dann mit ihr allein sein konnte. Er hatte sich ausgemalt, dass er sich auf das Bett setzen, einen süßen, verführerischen Duft einatmen würde, knappe und bestimmte Fragen stellen würde, schüchterne Antworten bekäme, und dann vielleicht …

Aber Frau Kusch war eine Matrone, die wusste, dass auch Polizeibeamte zuallererst Männer waren, und dass man auf die Tugend junger Mädchen keinen Pfennig verwetten sollte. Die gluckenhafte Wirtin im schwarzen Witwenkleid ließ die schöne Hedwig in den Gemeinschaftsraum kommen, der völlig übertrieben als Salon bezeichnet wurde. Es war ein Esszimmer, in dem auch zwei Sofas und drei Sessel standen.



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