Das digitale Wir : Unser Weg in die transparente Gesellschaft by Peter Schaar
Autor:Peter Schaar [Schaar, Peter]
Die sprache: eng
Format: epub
Tags: Nonfiction
Herausgeber: http://c3jemx2ube5v5zpg.onion
veröffentlicht: 2015-01-26T05:00:00+00:00
Online-Aktivismus
Noch stärker als der Online-Journalismus haben sich Initiativen entwickelt, die das Internet als Plattform für politische Aktivitäten nutzen. Das Spektrum des Online-Aktivismus reicht von monothematischen Kampagnen zu netzpolitischen Themen wie der Vorratsdatenspeicherung, dem Leistungsschutz- und Urheberrecht bis zu Plattformen, die Basisaktivisten für unterschiedliche Ziele zur Verfügung stehen. Die meisten Online-Kampagnen setzen sich kritisch mit der offiziellen Politik auseinander, oder sie gelten Themen, die von den Mainstream-Medien kaum aufgegriffen wurden.
Unterschriftensammlungen sind ein seit Jahrzehnten erprobtes Mittel, mit dem sich Bürgerinitiativen und andere Gruppen Gehör zu verschaffen versuchen. Ob es um neue Schulen, Straßenbauvorhaben oder die Behandlung von Ausländern geht: Stets bemühen sich Interessenverbände und Parteien um Unterstützung ihres Anliegens. Appelle mit den Namen der Unterstützer werden in Tageszeitungen veröffentlicht, die Unterschriftenlisten den Vertretern politischer Institutionen übergeben. “Wir sind viele” – so lautet die Botschaft, die in der Hoffnung übermittelt wird, dass die politischen Entscheidungsträger das Anliegen ernst nehmen. Online-Plattformen verbessern die Möglichkeiten für derartige Initiativen.
Besonders erfolgreich ist die 2007 gegründete internationale digitale Kampagnen-Organisation Avaaz (avaaz.org – persisch: Stimme) mit inzwischen über 41 Millionen Mitgliedern aus aller Welt (März 2015). Über eine internetbasierte Beteiligungsplattform werden globale politische Kampagnen organisiert, vorwiegend zu den Themen Klimawandel, Menschenrechte, Tierschutz, Korruptionsbekämpfung und Armut. Die am häufigsten von Avaaz eingesetzte Aktionsform ist die Online-Petition. Anders als bei der “offiziellen” Online-Petition, mit der in einem formalisierten Verfahren Anliegen an das Parlament herangetragen werden, steht bei Avaaz die schnelle und wirksame Schaffung einer internationalen Öffentlichkeit und die Organisation politischen Drucks auf Entscheidungsträger im Mittelpunkt. So wurde eine Online-Petition innerhalb weniger Tage von mehr als einer Million Menschen unterstützt, die Bundeswirtschaftsminister Gabriel aufforderte, sich bei seinem Besuch in Saudi-Arabien im März 2015 für den zu 1000 Stockhieben verurteilten Blogger Raif Badawi einzusetzen. Andere Beispiele sind Kampagnen zur Unterstützung von Flüchtlingen im syrischen Bürgerkrieg oder gegen die Klimakatastrophe. Auch wenn derartigen Initiativen häufig nicht der erwünschte Erfolg beschieden ist, erschweren sie doch das Geschäft skrupelloser Machthaber oder gleichgültiger Regierungen, die meinen, sich vor der Weltöffentlichkeit nicht für ihr Tun (oder für ihr Nichthandeln) rechtfertigen zu müssen.
Einen ähnlichen Anspruch wie Avaaz hat der deutsche Verein Campact (campact.de), dessen Motto lautet: “Demokratie in Aktion”. Der Verein vernetzt Basisaktivitäten und setzt sich für mehr Transparenz in der Politik ein. Im Mittelpunkt stehen Kampagnen, bei denen sich Menschen via Internet an gesellschaftlichen Debatten beteiligen können. Auch Campact setzt dabei auf Online-Petitionen, etwa gegen Gentechnik in Nahrungsmitteln, gegen die Kohleverstromung und gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Die Aktivitäten des Netzwerks konzentrieren sich auf den deutschsprachigen Bereich. Campact hatte 1,6 Millionen registrierte Interessenten und knapp 40.000 Fördermitglieder (März 2015).
Eine besondere Stellung im Spektrum bürgerschaftlicher Internetaktivitäten nehmen die Big Brother Awards ein, mit denen inzwischen in 19 Ländern fragwürdige Praktiken ausgezeichnet werden. Bereits seit dem Jahr 2000 verleiht der 1987 gegründete Bielefelder Verein digitalcourage (ehemals FoeBuD – Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs) die deutschen Big Brother Awards an Firmen, Organisationen und Personen, “die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen”.[112] Über die Vergabe des Negativpreises entscheidet eine Jury aus Vertretern von Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen.
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