Das barmherzige Fallbeil by Vargas Fred

Das barmherzige Fallbeil by Vargas Fred

Autor:Vargas, Fred
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Limes Verlag
veröffentlicht: 2015-10-26T16:00:00+00:00


25

Adamsberg ging nicht mal zu Hause vorbei, sondern setzte sich gleich auf die Holzkiste unter der Buche. Drei Minuten später erschien Lucio mit drei Flaschen Bier, die er sich zwischen die Finger seiner einzigen Hand geklemmt hatte.

»Es juckt mich, Lucio«, sagte Adamsberg und nahm das angebotene Bier an.

Er stand auf, um es an der Rinde des Baums zu öffnen.

»Bleib stehen«, sagte Lucio, »damit ich dein Gesicht unter der Straßenbeleuchtung sehen kann. Stimmt«, sagte er und kehrte zu seiner eigenen Flasche zurück. »Diesmal, hombre, juckt es dich wirklich. Da besteht kein Zweifel. Das war nicht zwangsläufig eine Spinne. Das kann was Schlimmeres gewesen sein. Eine Wespe, vielleicht sogar eine Hornisse. Du musst herausfinden, was dich gestochen hat.«

»Das kann ich nicht, Lucio, ich lauf ins Leere. Vierzehn Verdächtige. Minus vier, die wir schon rausgenommen haben. Bleiben noch zehn, abgesehen von etwa siebenhundert anderen. Alle ziemlich spektakulär, aus einem früheren Jahrhundert stammend, aber nicht einer unter ihnen bietet mir den geringsten Ansatzpunkt. Und selbst wenn ich dahinterkomme, was mich juckt, verliere ich Zeit.«

»Niemals.«

Adamsberg lehnte sich an die Buche.

»Doch. Denn was mich da juckt, hat mit dem Fall nichts zu tun.«

»Und?«

»Ich kann es mir nicht leisten, irgendwo nach meiner Hornisse zu suchen, während da einer am laufenden Band mordet.«

»Du kannst es dir vielleicht nicht leisten, aber du hast gar keine Wahl. Du findest deinen Kerl sowieso nicht, aber kannst an nichts anderes mehr denken. Also, wo ist da der Unterschied? Fällt dir ein, wann es angefangen hat, dich zu jucken?«

Adamsberg trank einen Schluck und schwieg eine ganze Weile.

»Ich glaube, es war am Montag, aber ich bin mir nicht sicher. Vielleicht mache ich mir nur so meine Gedanken.«

»Was willst du dir denn sonst machen?«

»Nein, ich glaube, es ist doch schon früher passiert. Ich muss schon in der Kuhle gestochen worden sein.«

»In welcher Kuhle? Ist doch scheißegal, ob du am Ellbogen oder am Schenkel gestochen worden bist.«

»Nein, Lucio, in Le Creux, das ist der Name eines winzigen Landstrichs im Departement Yvelines.«

»Ach, in der Kuhle.«

»Kennst du sie?«

»Ich hab mal vier Jahre lang in der Gegend gearbeitet.«

»Und weißt du, warum dieses kleine Stückchen Land so heißt?«

»Wenn ich mich recht erinnere, ist das in den Wirren des Zweiten Weltkriegs passiert. Die Gegend hat ganz schön was abgekriegt, dabei sind auch die Flurbücher verlorengegangen, verstehst du? Da haben die Jungs neue Ortsschilder, ziemlich über den Daumen gepeilt, eingesetzt. Na ja, und sie haben sich dabei so dämlich angestellt, dass sie am Ende bemerkten, dass zwischen einem Dorf und dem nächsten eine Lücke von ungefähr einem Kilometer geblieben war. Und man wusste nicht mehr, zu welchem von den beiden Dörfern dieses Stück gehörte.«

»Da brauchten sie die Flurkarten doch nur neu zu zeichnen.«

»Nicht so einfach, hombre. Denn in dieser Senke zwischen den beiden Dörfern gab es eine Art Spukschloss, und das wollte keiner. Jedes Dorf wollte lieber ein bisschen Boden verlieren, als die Gespenster bei sich zu haben. Kannst du dir so was vorstellen? Mitten im Krieg? Als hätte es nichts Wichtigeres gegeben, als sich mit solchem Scheiß herumzuschlagen.«

»Kein Schloss, es ist ein Turm, in dem es da spukt.



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