Das Ungeheuer by Terezia Mora

Das Ungeheuer by Terezia Mora

Autor:Terezia Mora [Mora, Terezia]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2013-10-21T22:00:00+00:00


Er kam weit nach der Dunkelheit in Saranda an. Er wählte aufs Geratewohl ein Hotel an der Promenade, vor dem man gut stehen bleiben konnte. Das Zimmer hatte seitlichen Meerblick — tagsüber sieht man Korfu — frontal sah man auf die verschlossenen Jalousien des Hauses gegenüber und darunter, über ein grünes Tor hinweg, in die offene Tür einer erleuchteten Küche. Die Beine einer älteren, dicken Frau in einem geblümten Rock. Sie saß auf einem Hocker, Knie auseinander. Alte Frauen schlagen die Beine nicht mehr übereinander. Oder es hängt von der Dicke der Schenkel ab. Diesem Küchenbild entströmte eine so offensive Heimeligkeit, dass Darius Kopp, der doch niemals in seinem Leben in dampfenden Küchen bei dicken Großmüttern saß, sich wie in einem Zuhause willkommen fühlte. Jetzt wird alles gut. Während des nachmittäglichen Schlafs im Kornfeld sind die letzten Reste der Krankheit aus ihm gewichen, wach, interessiert, hoffnungsvoll blickte er nun von der Hotelterrasse auf den abendlichen Korso, der über die Promenade zog.

Das Volk bei der Arbeit und in seiner Freizeit. Morgens Geschäftstreiben, abends der Korso, so ist es seit Menschengedenken. Dort, wo der Popcornstand steht, stand schon vor 2000 Jahren einer. Vielleicht gab es nicht genau Popcorn, Mini-Bunker und pastellfarbene Zuckerware in Plastikummantelung, aber das sind bekanntlich die flüchtigen Details. Auf Anraten des Hotelmanagers aß Kopp in einem Imbiss in der Seitenstraße neben dem Hotel die schlechteste Pizza der Welt zu Abend, aber das Bier war gut. Er trank zwei, obwohl es ihm schon nach dem ersten etwas schwindlig war, aber das ist gar nicht schlecht, das ist gut, es hilft, sich einzufügen. Sich in den Korso einfädeln, schlendern, die Leute ansehen, das Meer und wieder die Leute. Die Leichtigkeit, mit der er alles in allem durch das Land gekommen war, ließ ihn glauben, so würde es nun auch weitergehen. Warum auch nicht? Anwesend sein, ein wenig aufmerksam und innerhalb der ersten oder zweiten Stunde wirst du sie finden. Da bist du ja, wird sie sagen.

Bei einer lebenden Person ist das keine vollkommene Unmöglichkeit. Man muss nur lernen, richtig zu schauen. Erst die Männer aus dem Bild nehmen. Die Greise sind leicht, sie sind eindeutig, halten sich ausschließlich in gegenseitiger Gesellschaft in begrenzten Gebieten auf, in der Nähe von Bänken und Bäumen. Familienväter sind unsichtbar und die Unverheirateten stören nur durch ihre schiere Masse. Anfangs verdecken sie alles andere: wohin du auch schaust junge Männer, die auf ihre Schönheit achten. Glänzend gekämmtes dunkles Haar. Selten, dass einer allein ginge, meistens halten sich zwei aneinander, denn wie jeder weiß, vor Einsamen und Gruppen haben die Mädchen Angst. Wenn überhaupt welche da sind. Auf die Mädchen wird aufgepasst, die Mädchen haben Pflichten, die Mädchen sind unpässlich, aber wen wir suchen, ist überhaupt kein Mädchen, sondern eine junge Frau, und von denen schien es hier ganz wenige zu geben. Teenager mit Haarreifen und Mütter mit Kinderwagen. Sonst nur noch die, die mit einem Mann im Paar gingen.

Dass sie mit einem Mann hier sein konnte, fiel Darius Kopp erst jetzt ein. Deswegen die Seltsamkeit der Großmutter.



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