Das Totenschiff von Altona by Doyle Virgina

Das Totenschiff von Altona by Doyle Virgina

Autor:Doyle, Virgina [Doyle, Virgina]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-06-28T22:00:00+00:00


20. Menschenhändler

Er liebte die Schildkröte und hasste die Seehunde. Die Riesenschildkröte mit ihrem mächtigen Panzer kam von den Galapagos-Inseln. Sie war uralt und würde alle Menschen überleben, die tagtäglich Carl Hagenbecks Thierpark am Neuen Pferdemarkt besuchten. Sie machte sich nichts aus den Besuchern, genau wie der hagere Mann mit dem nachlässig gezwirbelten Schnurrbart, der in seiner Uniform am Eingang stand und darauf achtete, dass alle ihr Eintrittsgeld bezahlten.

Die meisten Gäste liebten die Seehunde. Deshalb waren sie gleich hinter dem Eingang in einem großen Bassin untergebracht. Sie waren so übermütig, dass sie gelegentlich ihr Becken verließen und sich unter die Besucher mischten. Dann schreckten Kinder und Frauen kreischend zurück, und die Herren bemühten sich, weltmännische Haltung zu bewahren. Der Mann mit der Uniform musste die Seehunde dann wieder in ihr Bassin zurückscheuchen. Das war mühsam, und manchmal schnappten sie sogar nach ihm. Der größte von ihnen hatte ihn einmal schon am Ärmel erwischt und den Stoff eingerissen. Da war er sehr wütend geworden. Aber was sollte er machen? Er durfte die Tiere nicht schlagen.

Als er an jenem Abend nach Hause zurückgekommen war, hatte er das Mädchen geschlagen. Mit der flachen Hand ins Gesicht. Und dann hatte er sich ihr zu Füßen geworfen und sie um Vergebung gebeten. Er wollte ihr doch nichts Böses, er wollte, dass sie gesund wurde und ihm viel Geld einbrachte. Deshalb gab er fast seinen ganzen Verdienst für Nahrungsmittel aus, die er ihr brachte. Er selbst wurde immer dünner, aber er stellte zufrieden fest, dass sie inzwischen schon gar nicht mehr aussah wie ein Gerippe, sondern wieder wie eine Frau. Mit Menschen war es wie mit Tieren. Es war gar nicht so schlimm für sie, eingesperrt zu sein, wenn sie nur genug zu essen bekamen.

Voller Ungeduld wartete er heute darauf, dass endlich die letzten Besucher den Tierpark verließen. Dann würde er sich unter einem Vorwand vor den Putzarbeiten drücken, die er eigentlich zu verrichten hatte, und zu seiner Verabredung aufbrechen. Heute Abend würde er den Man treffen, der seine Grete kaufen wollte. Er würde also bald genug Geld beisammen haben, um die weite Reise zu den Galapagos-Inseln anzutreten. Dort würde er Schildkröten und Eidechsen langen und sie nach Europa bringen. Damit würde er viel Geld verdienen, und vielleicht würde er eines Tages einfach dort bleiben, bei seinen geliebten Riesenechsen, zu denen er sich mehr hingezogen fühlte als zu den Menschen, die immer nur auf ihm herumhackten, weil er alles ein bisschen langsamer tat als die anderen.

Es hatte Tage gedauert, bis er den Mann gefunden hatte, der ihm das Mädchen abkaufen wollte. Er war durch die übelsten Spelunken gezogen und hatte mit allerlei Gesindel gesprochen. Es war ihm nicht leicht gefallen. Er mochte diese Menschen nicht, die schmutzigen Geschäften nachgingen. Diebe, Luden und Betrüger. Die meisten hatten ihn verächtlich grinsend angesehen: Er wolle wissen, wer Geschäfte mit Mädchen macht. Geschäfte? Wie meinte er das? Es war ihm jedes Mal wieder schwer gefallen, ein solches Gespräch zu führen. Die meisten hatten ihn nicht ernst genommen, ihn beleidigt, so getan, als sei er ein Spinner oder, schlimmer noch, ein Schwachsinniger.



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