Das Tagebuch der Anne Frank by Anne Frank
Autor:Anne Frank
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2006-01-01T23:00:00+00:00
Dummkopf, der ich bin! Noch nie habe ich daran gedacht, Dir die Geschichte von mir und meinen Verehrern zu erzählen.
Als ich noch ganz klein war, eigentlich noch im Kindergarten, hatte Karl Samson meine Sympathie geweckt. Er hatte keinen Vater mehr und wohnte mit seiner Mutter bei einer Tante. Deren Sohn, sein Vetter Bobby, war ein kluger, schlanker, dunkler Knabe, der immer mehr die Aufmerksamkeit auf sich lenkte als der kleine, ulkige dicke Karl. Ich sah nicht aufs Äußere und war jahrelang mit Karl befreundet. Wir waren lange Zeit echte, gute Kameraden.
Dann kreuzte Peter meinen Weg, und die erste Kinderverliebtheit kriegte mich zu packen. Ich sehe uns noch - Hand in Hand - durch die Straßen laufen, er in seinem Leinenanzug, ich in einem Sommerkleidchen.
Als er auf die Oberrealschule überging, kam ich in die höchste Vorschulklasse. Er holte mich von der Schule ab oder ich ihn. Peter war ein bildhübscher Junge, groß, schlank, hübsch gewachsen mit einem ruhigen, ernsten, intelligenten Gesicht. Er hatte dunkles Haar, rotbraune Backen, schöne große braune Augen und eine spitze Nase. Besonders liebte ich sein Lachen. Dann sah er immer aus wie ein Taugenichts.
In den großen Ferien waren wir verreist. Als wir zurückkamen, war Peter umgezogen und wohnte mit einem viel älteren Jungen zusammen, mit dem er »dick« befreundet war. Der machte ihn nun wahrscheinlich darauf aufmerksam, daß ich noch ein so kleines Balg war, und Peter ließ mich laufen. Ich hatte ihn so gern, daß ich es nicht wahrhaben wollte, bis ich schließlich einsehen mußte, daß ich für »mannstoll« verschrien würde, wenn ich ihm weiter nachliefe.
Die Jahre gingen vorüber, Peter verkehrte nur mit Mädels seines Alters, und mich grüßte er nicht einmal, aber ich konnte ihn nicht vergessen. Als ich aufs jüdische Lyzeum kam, verliebten sich viele Jungens aus unserer Klasse in mich. Ich fand es sehr nett, fühlte mich, aber es ging nie tief.
Später war Harry mächtig hinter mir her. Aber wie gesagt: Ich war nie mehr verliebt.
Ein Sprichwort heißt: »Die Zeit heilt alle Wunden!«
So schien es auch mir zu gehen. Ich bildete mir ein, daß ich Peter vergessen hätte und mir auch nichts mehr aus ihm machte. Die Erinnerung an ihn lebte jedoch so stark in meinem Unterbewußtsein, daß ich mir eines Tages selbst eingestand, daß die Eifersucht auf alle Mädchen seines Kreises mich beherrschte und ich ihn darum nicht mehr so nett finden wollte.
Heute morgen ist mir klargeworden, daß sich nichts geändert hat, im Gegenteil: Während ich älter und reifer wurde, wuchs meine Liebe mit mir. Nun kann ich verstehen, daß Peter mich damals zu kindlich fand, und doch empfand ich es immer schmerzlich, daß er mich so schnell vergessen hatte. Ganz deutlich habe ich ihn vor mir gesehen und weiß jetzt, daß niemand anderes jemals so mein Denken ausfüllen kann.
Der Traum hat mich ganz verwirrt. Als Vater mir heute morgen einen Kuß gab, hätte ich am liebsten laut gerufen: »Ach, wäre es doch Peter!« Immerwährend denke ich an ihn und wiederholte den ganzen Tag heimlich für mich: »O Petel, mein liebes Petel!«
Helfen kann mir niemand.
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