Das Sterben im Klee by Mani Beckmann

Autor:Mani Beckmann [Beckmann, Mani]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2017-03-14T16:00:00+00:00

2

Am nächsten Morgen, es war der 27. Dezember, gegen acht Uhr, weckte ihn das Telefon. Eigentlich nichts Besonderes – sah man einmal von der unchristlichen Uhrzeit ab – und normalerweise hätte er es einfach klingeln lassen und sich taub gestellt, doch dann fuhr er hoch und rief überrascht: „Das Telefon hat geklingelt!“ Er krabbelte aus dem Bett, lief in den Flur, griff nach dem Hörer und sagte: „Ja?“

Es war die Telekom, die ihm mitteilte, dass der Anschluss ab sofort freigegeben war. Der Mann von der Telefongesellschaft wünschte ihm viel Spaß beim Telefonieren und verabschiedete sich.

„Danke“, sagte der Russe, drückte kurz auf die Gabel und wählte sofort die Nummer seiner Eltern.

„Luschin.“ Es klang, als spräche sein Vater mit vollem Mund. Wahrscheinlich waren sie gerade beim Frühstück.

„Hallo, Papa, ich bin’s.“

„Peter!“, rief der Champ überrascht. (Seitdem Merk ihm den Spitznamen seines Vater verraten hatte, wollte dem Russen der Name nicht mehr aus dem Kopf.) Es hörte sich an, als schluckte sein Vater den Bissen hinunter, und dann setzte er hinzu: „Wer hat dich denn so früh aus dem Bett geworfen, mein Junge?“

„Ich hab jetzt einen Telefonanschluss“, antwortete der Russe und nannte seine Nummer.

„Das ist schön. Und wie hast du die Feiertage verbracht? Hättest dich ja mal melden können.“

„Ich hatte viel zu tun.“

„So? Mama hatte schon Angst, du könntest dich langweilen.“ Er lachte und setzte hinzu: „Sie macht sich immer gleich Sorgen.“

„Nicht nötig“, antwortete der Russe, „ich komm schon klar.“

„Natürlich“, sagte sein Vater.

In diesem Moment klingelte es an der Tür.

Der Russe fuhr zusammen, starrte irritiert zur Wohnungstür, hielt dann die Hand vor die Muschel und rief: „Wer ist denn da?“

„Die Post“, antwortete eine dumpfe Stimme aus dem Treppenhaus.

„Einen Moment, Papa“, sagte er in den Hörer, „der Briefträger steht vor der Tür.“

„Das ist wahrscheinlich das Care-Paket, das deine Mutter dir geschickt hat. Ich konnte sie nicht davon abhalten. Du kennst sie ja.“

Der Russe legte den Hörer neben den Apparat und öffnete die Tür.

„Du Schweinehund!“

Bevor er irgendwie reagieren konnte, landete eine Faust wie aus Stahl auf seiner Nase, dass das Blut herausspritzte und ihm grelle Blitze durch den Kopf schossen. Der Russe flog nach hinten, knallte mit dem Rücken gegen die Wand und ging zu Boden.

Reinhard Emmerling stand drohend im Flur, stieß die Tür mit dem Fuß zu und ging auf den sich mühsam aufrappelnden Russen zu. „Wenn du glaubst, du kannst mich verarschen“, rief er, „dann hast du dich aber geschnitten!“ Und im gleichen Augenblick trat er ihm mit der Spitze seiner Schuhe in die Seite, sodass der Russe erneut ächzend zu Boden ging.

„W-Was w-wollen Sie denn von mir?“, stammelte er und hielt sich den Bauch. Ein stechender Schmerz entlud sich in seinen Gedärmen. „Ich hab doch gar nichts …“

Emmerling schüttelte angewidert den Kopf und sagte: „Schnauze!“ Dann sah er den Hörer neben dem Telefon liegen und riss das Kabel samt Buchse aus der Wand. „Genug palavert! Jetzt hörst du mir mal zu, du Arschloch!“

„Ich kann das alles erklären“, wisperte der Russe, und die Tränen liefen ihm über die blutverschmierte Wange. Schluchzend und unter Mühen

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