Das Sklavenschiff by Barry Unsworth
Autor:Barry Unsworth
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2014-05-17T22:00:00+00:00
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Nach seiner Rückkehr an Bord am nächsten Tag schlug Paris sein Tagebuch wieder auf, das er in der letzten Zeit wegen zahlreicher anderer Aufgaben vernachlässigt hatte. Außerdem war er an diesem Nachmittag jeder aktiveren Tätigkeit abhold, denn seine Beine waren schwer, und er spürte einen leichten, aber ständigen Druck über den Augen. Er hätte sich gern hingelegt, doch es widerstrebte ihm, am hellichten Tag zu schlafen, solange noch so vieles zu erledigen war. Er saß über seinen kleinen Tisch gebeugt und schrieb und ließ sich auch von dem zeitweilig intensiven Bilgengestank nicht stören.
Delblanc hatte recht, als er sagte, sein Geldbeutel würde als Empfehlung genügen. Er kam heute morgen an Bord, mit einem kleinen Schiffskoffer und geradezu festlich herausgeputzt. Ich vermute, er ist ein Mann, der Abwechslung und Abenteuer liebt, und von letzteren vielleicht besonders die unvorhergesehenen. Anscheinend hat er die Wirkung seines Porträts auf den Gouverneur nicht abgewartet. Delblanc hat etwas Verwegenes an sich. Er scheint niemandem Rechenschaft zu schulden und in der Lage, seinen Eingebungen nach Belieben zu folgen. Darin unterscheidet er sich von mir, und vielleicht fühle ich mich deshalb so zu ihm hingezogen – dies jetzt um so mehr aus Dankbarkeit für seine Freundschaft und Geduld am gestrigen Abend. Ich freue mich, daß er bei uns ist. Wir sind auch bereits auf unser Gespräch über Herz und Verstand zurückgekommen; er argumentiert mit unvermindertem Enthusiasmus für die uneingeschränkte Freiheit und die natürliche Gutartigkeit des Herzens, auch wenn er dabei auf dem Deck eines Sklavenschiffs auf und ab spaziert. Diese Inbrunst ist irgendwie rührend, aber auch ein wenig absurd – wie alle guten Theoretiker läßt er sich durch widrige Umstände nicht stören.
Gleichzeitig mit Delblanc kamen zwei neu rekrutierte Seeleute an Bord, Lees und Rimmer. Ersterer, ein von Pockennarben entstellter Mann, gelernter Faßbinder und Seemann, scheint recht ordentlich zu sein; der andere, Rimmer, hat so ziemlich das übelste und bösartigste Gesicht, das ich je gesehen habe, aufgedunsen von Alkohol und primitivster Lebensweise, grob und mit einem häßlichen Ausdruck in den Augen wie ein Hund, der jeden beißen würde, wenn er es nur wagte. Er ist entweder von einem anderen Slaver geflüchtet oder zurückgelassen worden und hat seitdem hier an der Küste irgendwie überlebt. Er muß sich, kurz nachdem er an Bord gekommen war, eine Frechheit oder vielleicht auch etwas Belangloseres gegenüber Barton erlaubt haben, denn der Maat versetzte ihm einen Schlag mit der flachen Hand, der auf dem ganzen Schiff zu hören war. Ich habe den Vorfall selbst gesehen. Rimmer taumelte unter dem Schlag, war jedoch klug genug, nicht zurückzuschlagen, aber sein Gesicht sah zum Fürchten aus. Barton wirkte unbeeindruckt. »Du tust, was ich sage«, hörte ich ihn sagen, »und zwar prompt, oder du kommst nicht bis Jamaika.« Barton weiß natürlich, daß er einem solchen Mann von Anfang an nichts durchgehen lassen darf. Er hat für die nächsten Tage das Kommando, denn Thurso ist in eigenen Geschäften unterwegs.
Tapley hat manchmal einen ärmlich häßlichen Blick wie dieser Rimmer, aber er ist weniger dreist; er muß sich hinter einem anderen verstecken können.
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