Das Schicksal der Lilian H. by Marie Louise Fischer

Autor:Marie Louise Fischer [Fischer, Marie Louise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2017-09-19T00:00:00+00:00

Während der nächste Zeuge aufgerufen wurde, sprach der Verteidiger auf Lilian Horn ein.

Dr. Michael Sturm ahnte, um was es ging. Der Rechtsanwalt machte seiner Mandantin Vorwürfe, daß sie die Besuche Direktor Kaysers in ihrem Appartement abgeleugnet hatte. Lilian Horns Gesicht blieb maskenhaft unbewegt; sie zuckte die wohlgeformten Schultern.

Diese Lüge war sehr töricht gewesen, fand Michael Sturm; sie hätte doch darauf gefaßt sein müssen, daß Kurt Kayser, unter Eid befragt, auspacken würde. War sie am Ende doch nicht die eiskalt berechnende Person, für die sie alle hielten? Zum ersten Mal wagte er, sich Zweifel an ihrer Schuld einzugestehen. Er redete sich ein, daß noch immer alles für einen Mord an der Rivalin sprach, wenn er wohl auch nicht aus purer Berechnung begangen worden war. Vielleicht war sie dümmer, als er gedacht hatte, aber auch das sprach nicht für sie. Warum nur fühlte er sich dennoch von ihrem Schicksal so unmittelbar betroffen?

Nacheinander traten Herr Kerst, Ruth Fiebig, ein Kellner der 'Taverne' und die Garderobiere auf, und alle bestätigten sie, daß Lilian Horn an jenem Freitag, den 13. Juni, für eine gute halbe Stunde das Lokal verlassen hatte. Bei ihrer Rückkunft hingegen hatte sie niemand gesehen, bevor sie die Damentoilette, wo sie sich eingestandenermaßen erfrischte, wieder verlassen hatte.

Hubert Togler wurde aufgerufen. Er erschien mit finsterem Gesicht und vermied es, die Angeklagte anzusehen. Er bestätigte mit spürbarem Widerwillen die Aussagen der anderen Zeugen und gab auf Befragen auch zu, daß Lilian Horn ihn am Samstag morgen gegen elf Uhr angerufen und gebeten hatte zu behaupten, daß sie am Abend zuvor höchstens zehn Minuten abwesend gewesen wäre.

Der Vorsitzende bedankte sich, und Hubert Togler wollte sich schon zum Gehen wenden.

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