Das Salz in der Wunde by Prévost Jean

Das Salz in der Wunde by Prévost Jean

Autor:Prévost, Jean [Prévost, Jean]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Manesse Verlag
veröffentlicht: 2015-05-20T16:00:00+00:00


Die Angst

Die Eltern von Anne-Marie hatten nicht so schnell mit einem Anwärter für ihre Tochter gerechnet. Dieser Crouzon war ein Geschenk des Himmels, das ihnen ganz unverhofft gemacht wurde. Als Dieudonné ihnen in Begleitung von Madame Rougeau, die ihm nun resigniert half, den ersten Besuch abstattete, ließ man ihn warten, um die Schutzhüllen im Salon zu entfernen. Der Vater, Monsieur Durfeuil, war dermaßen überwältigt, dass er Crouzons Hand gar nicht mehr loslassen wollte; um das zu überspielen, zog er ihn an besagter Hand zu einem Zweisitzer und wies ihm den Platz neben sich zu. Das Sofa war nicht eben breit und der ausladende Greis bedrängte die Oberschenkel seines Nachbarn. Crouzon war der Körperkontakt mit diesem Mann äußerst zuwider; selbst das sanft gewellte weiße Haar, die schlaffe Nase, die zarten, blauroten Äderchen im gutmütigen Gesicht kamen nicht gegen diese männliche Feindseligkeit an. Die Mutter, eine lange, graue Gestalt mit magerem, gleichmäßigem Gesicht, war das Ebenbild ihrer Tochter, in einer Räucherkammer konserviert. Es blieb lange still.

Madame Rougeau gab sich jede erdenkliche Mühe, bat Crouzon aufzustehen, um ihm die Ahnenporträts zu zeigen, und fragte ihn dann, wie seine Geschäfte liefen. Dieses Gesprächsthema ärgerte ihn: Musste er den Nachweis erbringen, dass er eine gute Partie war? Später erklärte sie ihm den Grund: Die Durfeuils waren aufgrund seiner Pläne, und mehr noch, weil er um die Hand eines entehrten Mädchens anhielt, beunruhigt und hegten den Verdacht, er wäre ein wenig verrückt. Crouzons juristische Kenntnisse, seine Gewandtheit, sogar die Langeweile, die er sich durchaus anmerken ließ, zeigten, wie besonnen er war.

Es gelang ihm, diesen Besuch und die folgenden abzukürzen: «Und wenn Sie mich nun entschuldigen wollen, ich muss achtunddreißig Leute zur Arbeit anhalten.»

Anne-Marie warf ein: «Es heißt, dass Sie vorbildliche Disziplin walten lassen.»

Die Mutter runzelte die Stirn.

(Was meint sie damit? Will sie mich mit ihrem Cousin vergleichen oder den Grad ihrer künftigen Knechtschaft ermessen? – Du darfst nicht zu früh erraten, wie sehr du über mich herrschen kannst. Das wird uns beide ins Unglück stürzen, du großes Mädchen, das sehe ich klar und deutlich.)

Man erlaubte ihm, die Durfeuils regelmäßig zu besuchen, lud ihn zum Abendessen ein. Doch gemäß den alten Gepflogenheiten wechselte er kaum ein Wort mit seiner Verlobten und sprach mit den Eltern über Geschäftliches – vor allem im Zusammenhang mit den Staudämmen der Creuse.

Der Erfolg des Staudamms von Éguzon, der ein Wasserkraftwerk speiste, hatte die hiesigen Begehrlichkeiten geweckt, die früher nur schwach ausgeprägt gewesen waren. Nun wollte man in Éguzon-le-Petit unterhalb des ersten Staudamms einen weiteren errichten. Dafür war eine Aktiengesellschaft gegründet worden, an der die Durfeuils und etliche Händler von Châteauroux beteiligt waren. Die Pläne waren fertig ausgearbeitet; man zog sogar die Herstellung von Stickstoffdünger in Betracht, um den Überschuss an Energie zu nutzen. Die Anteilseigner beschworen den Fortschritt, forderten die Elektrifizierung der örtlichen Eisenbahnstrecken.

Die Aktiengesellschaft von Éguzon-le-Petit hatte ihr Vorhaben allerdings zu früh enthüllt. Sie hatte die Grundstücke, die der neue Staudamm unter Wasser setzen sollte, nicht rechtzeitig erworben. Einige Großgrundbesitzer hatten nun mit dem Aufkauf dieser Ländereien begonnen. Nachdem Monsieur Flayel



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